"Zimtzauber" von Sigrun Holstein




Kinderbuch
Softcover
92 Seiten
2006
ISBN: 978-3937593098



Zimtzauber erzählt von der 13jährigen Louisa, deren Eltern kurz vor Weihnachten in eine heftige Auseinandersetzung geraten, die zur Folge hat, dass der Vater auszieht und ihre Mutter von Scheidung redet. Louisa versteht ihre Eltern nicht und versucht, gemeinsam mit ihrer Oma, den Streit der Eltern zu schlichten und Weihnachten zu retten. Was wäre Weihnachten denn für ein Fest, wenn nicht die ganze Familie vor dem geschmückten Baum säße?



Leseprobe

[...]
Frau Wedekind schimpfte weiter in den Telefonhörer hinein und Louisa konnte hören, dass auch ihr Vater am anderen Ende nicht weniger leise sprach. In Louisa kamen Gefühle von Panik hoch, die sie nicht mehr bewältigen konnte. Sie atmete schneller, ihr Herz schlug wild und sie glaubte jeden Moment, die Besinnung zu verlieren.
Mit Tränen in den Augen verließ sie das Wohnzimmer. Sie zog ihre Jacke an und rannte aus dem Haus. Louisa lief die Straße entlang, bog nach rechts ab und wurde immer schneller. Die kalte Luft füllte ihre Lungen und Seitenstechen machte sich bemerkbar. Doch sie lief immer weiter und weiter, bis sie völlig außer Atem und erschöpft vor einer hell erleuchteten Kirche zum Stehen kam. Sie hielt sich die Seiten und beugte sich heftig schnaufend nach vorne, um wieder etwas Luft zu bekommen. Als sie endlich normal atmen konnte, betrachtete sie die so schön geschmückte und beleuchtete Kirche. Es war ein so friedlicher Anblick. Louisa entschloss sich nach einer Weile, in die Kirche hinein zu gehen. Vielleicht fand sie dort wenigstens etwas Ruhe und Frieden, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Mit lautem Quietschen öffnete sich die schwere Holztür, als sie diese aufzog. Sanftes Licht strömte durch das Innere der Kirche. Es war eine herrliche Ruhe hier. Louisa ging ein aar Bankreihen nach vorne und setzte sich schließlich in eine der mittleren Bänke. Sie schloss die Augen und merkte, wie sie mit der Zeit ganz ruhig wurde. Ihre Gedanken kreisten noch immer um den Streit der Eltern, doch bald darauf erinnerte sie sich an etwas, das ihre Oma einmal zu ihr als kleines Kind gesagt hatte: Wenn du einmal einen ganz besonders wichtigen Wunsch hast, der von ganzem Herzen kommt, dann bete zu Gott. Er wird dir diesen Wunsch bestimmt erfüllen.
Louisa war seit ihrer Firmung in der fünften Schulklasse nicht mehr in der Kirche gewesen, oder hatte irgendwann seither gebetet. Im Gegenteil, sie hatte es nie verstehen können, dass es Menschen gab, die jeden Sonntag in die Kirche rannten und an göttliche Wunder glaubten. Sie amüsierte sich eher darüber. Doch nun ergab das alles für sie einen ganz anderen Sinn. Jetzt sah sie in dem Glauben an Gott plötzlich einen Hoffnungsschimmer. Was, wenn es wirklich so wäre, wie Oma es ihr gesagt hatte? Louisa blickte nach vorne zum Altar. Warum sollte es in der Weihnachtszeit nicht wirklich das eine oder andere kleine oder größere Wunder geben? Sie entschied sich dafür, es einfach einmal zu versuchen, schloss wieder die Augen und begann zu beten:
Bitte, lieber Gott, wenn es dich wirklich gibt und du tatsächlich Wünsche, die aus tiefstem Herzen kommen, erfüllst, dann hilf mir, damit sich meine Eltern wieder vertagen und sich nicht scheiden lassen. Ich möchte kein einziges Geschenk zu Weihnachten, wenn sich nur meine Eltern wieder vertragen und sich nicht scheiden lassen. Wenn wir einfach wieder ein friedliches Weihnachtsfest miteinander und mit Oma feiern könnten. Mehr will ich wirklich nicht. Ich bitte dich von ganzem Herzen. Bitte hilf mir ...
Louisa saß noch eine ganze Weile mit geschlossenen Augen auf dieser Bank und konzentrierte alle Gedanken nur auf den einen Wunsch, als sie plötzlich den Geruch von Zimt wahrnahm. Sie öffnete langsam ihre Augen und sah neben sich eine ältere Dame sitzen. Sie trug einen langen, dunkelblauen Mantel und hatte ihre grauen Haare zu einem Dutt hochgesteckt. Auf ihrem Kopf saß ein ebenso blauer Hu mit einer langen Feder daran. Sie lächelte Louisa zu und nickte grüßend.
Der Zimtgeruch schien aus ihrer Richtung zu kommen. Es erinnerte Louisa an gemütlcihe Stunden bei ihrer Oma zu Hause, wenn sie in der Vorweihnachszeit ganz viele Zimtplätzchen backten und heißen Kakao tranken. Oma hatte sogar eine Duftlampe, in die sie immer Zimtaroma gab. Das ließ ihre kleine Wohnung immer besonders gemütlich werden. Dieser Duft erinnerte Louisa an vergangene, schöne Weihnachtsfeste. Oma war Heilig Abend immer bei ihnen zu Hause. Es gab Gans mit Knödel und Blaukraut. Der Weihnachtsbaum war wundervoll geschmückt und jeder freute sich darauf, den anderen eine Freude zu bereiten. Im ganzen Haus roch es nach Weihnachen, Tannenzweigen, Festbraten und Zimt. Nach einem köstlichen Abendessen wurden dann die Geschenke verteilt. Ja, so wie damals sollte es wieder werden.
Sie schloss noch einmal die Augen und atmete den herrlichen Duft ein. Am liebsten ollte sie die Dame ansprechen, aber was sollte sie ihr sagen? Danke, sie haben mich an frühere Weihnachten erinnet? Das klang doch komisch, oder? Doch dann entshcied sie sich, die Kirche wieder zu verlassen. Sie bat die Dame höflich darum, sie aus der Bankreihe herauszulassen und bedankte sich lächelnd dafür. Sie wollte gerade gehen, da drehte sich sich noch einmal zu der Frau um und fragte sie: „Haben Sie heute Zimtplätzchen gebachken?“
„Ja, mit meinen Enkelkindern, die mögen sie so gerne. Wie kommst du darauf?“
„Es riecht hier so herrlich nach Zimt und ich liebe Zimtplätzchen auch sehr.“ Louisa zwinkerte der alten Dame zu und wünschte ihr noch eine schöne Adventszeit, ehe sie endgültig die Kirche verließ. Die alte Dame winkte ihr freundlich lächelnd nach und Louisa winkte zurück, noch ehe sich die schwere Kirchentür hinter ihr knarrend schloss.
Wieder draußen im Freien, wurde Louisa erst bewusst, dass si ja ohne ein Wort zu sagen, von zu Hause fortgelaufen war. Ob ihre Mutter sie schon suchte? Wie lange war sie wohl weg gewesen? Sie war ja ein ganzes Stück gerannt und wie lange sie in der Kirche war, wusste sie nicht mehr.
Louisa machte sich auf den Heimweg durch die mit Weihnachtsdekoration beleuchteten Straßen. Je näher sie ihrem Haus kam, umso entschlossener war sie, alles zu unternehmen, damit sich ihre Eltern bis Weihnachten wieder versöhnen würden.

[...]




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