„Zahltag“ von Stefan Jahnke
Vergeltungs-Thriller
Paperback,
308 Seiten
Books on Demand, Norderstedt
Januar 2011
ISBN 978-3-8423-3760-2
Maximilian Rummel ist krank. Wenige Wochen verbleiben ihm. Die Humanmedizin schrieb ihn längst ab, will ihm gar seinen letzten Wunsch verweigern. Lediglich ein bei den Fachkollegen verrufener Professor aus der Schweiz verspricht Hoffnung. Nicht auf eine Heilung, sondern ein kleines Wunder für die Erfüllung seines Zieles, einer Feier, einem Fest mit allen Bekannten aus seinem Leben. Einen großen Tag.
Gebannt und ungläubig schauen die Ärzte am Dresdner Uniklinikum zu, wie der an Knochenkrebs Erkrankte plötzlich hoch erhobenen Hauptes die Klinik verlässt, mit Sohn Peter, Frau Sonja und Professor Bolte alles für seinen letzten Auftritt herrichtet.
War Rummel ein guter Mensch? Sein Leben läuft vor ihm ab. Machte er nie Fehler, fügte niemandem Schaden zu, hatte nie Schuld, wenn etwas schief ging? Er hegt keine Zweifel. Verächtlich schaut er auf die Namen der vielen Eingeladenen und vergräbt sich mit letzter Kraft in die Vorbereitungen.
Mitten dahinein platzt eine Mordanklage der Polizei. Handwerker weigern sich, verrückte Umbauten im für die Feier gemieteten alten Rittergut durchzuführen. Absagen treffen ein, die Rummel anonym durch lukrative Angebote in Zusagen umwandelt.
Werden die Gäste ihr Kommen bereuen?
Hält Rummel dank der Schweizer Wunderheilung durch und was ist sein Plan?
Prolog (Auszug)
...
Pechtler steht in der Tür, kann es nicht fassen.
Ich sitze im Bett, das Kopfende hochgestellt, und löffle meine Suppe. Ich allein löffle sie. Gut, Fleisch und andere feste Stoffe kann ich nicht kauen. Dazu fehlt… fehlt einfach die Kraft. Aber diese Kombination zwischen Schlucken und Atmen… das klappt. Hätte ich selbst nicht gedacht. Und ich strahle Pechtler an, der sich dann nachdenklich umdreht und geht.
Peter erzählte mir, was der versucht hatte. Ich wäre jemand gewesen, dem man einfach nicht ansah, ob er wirklich Schmerzen hat oder nicht. Und da hat er angenommen, dass ich keinerlei Äußerungen mehr machen könne… nicht einmal mehr stöhnen. Na ja…
„Die Pumpe, das war seine einzige Antwort. Dein Körper wäre bereit zu gehen. Er erklärte das so, wie Du mir das mit Uroma erzählt hast… na ja, wie sie blind wurde und nach und nach auch nicht mehr schluckte, erst die Sinne verlor und dann fast von innen vertrocknete, ohne, dass sie darunter leiden musste…“
Ich stelle mir das jetzt vor. Nein, das ist nicht gut. So darf man einen Menschen nicht eingehen lassen. Damals habe ich es nicht gewusst. Auch Mutter hatte keine Ahnung. Nur die Ärzte, diese Götter… na ja… die meinten, dass man sie natürlich nicht zum Trinken zwingen könnte. Sie wäre halt alt und daher wäre es nur richtig, dass sie nun geht. Von der Welt… Eine Welt…
Verachtung… ist das Verachtung für den Menschen durch den Menschen? Oh, ich habe noch ganz andere Verachtung kennenlernen müssen… an mir… um mich herum. Und niemand tat etwas gegen all dies. Wie auch? Nein, dazu war niemand berufen. Und ich musste es ertragen. Auch wenn man die äußeren Umstände mit einer besser formulierten Kündigung, einem gewissen Schweigebetrag oder auch einer nachträglichen Rehabilitation etwas veränderte, änderte sich nie etwas am Ergebnis… Ende… eben Rufmord und… na ja.
Verachtung… Für mich…
„Diese Pumpe pumpt Dich voll Schmerzmittel. Ein besonders starkes. Und Pechtler meinte gestern zu mir im Vertrauen, dass er noch nie einen Patienten gesehen hat, der bei dieser Dosis, die Du schon bekamst, noch zurückgeholt werden konnte. Daran, meint er, daran allein kann Bolte nicht schuld sein. Und wenn er sich das eingesteht, muss er den Hut ziehen. Nicht vor seinem Schweizer Kollegen, sondern vor Deinem Mut, Deinem Lebenswillen.“
Lebenswille…
Hatte ich das?
Ich habe ein Ziel. Das muss… ich muss es einfach!
Ich schaue Peter an. Er versteht mich, nickt. Dann holt er den Stoß mit den Karten heraus. Ich kann das nicht alles heute oder in nur ein paar Tagen erledigen. Und wir müssen den Termin verschieben. Auch der Letzte muss noch drei Wochen bis zum Termin haben. Sonst bekommen wir zu viele Absagen. Das verträgt mein Budget nicht. Auch wenn ich mir sicher bin, dass sie trotzdem kommen… bei entsprechendem Angebot… aber sie sollen nicht zu viel von mir erhalten… die Einladung muss über zwei Drittel überzeugen. Dann reicht es und nichts ist in Gefahr!
Ich beginne. Der Stift liegt schwer in der Hand. Er ist nur aus Plastik, aber trotzdem… schwerer als der Löffel bei der Suppe.
Zwanzig. Mehr schaffe ich nicht. Und auch dabei muss ich mehrmals absetzen. Ob ich das jeden Tag…?
Bolte sieht mir bei einigen letzten Unterschriften zu.
„Oh, des wird amal bessr. Warten's nur ab. Jedn Doag können's mehr. Bis zu de groaß Ziel!“
Verdammt… kennt er das? Hat Peter ihm davon erzählt? Das wäre… nun, das brächte vielleicht alles in Gefahr. Aber Bolte lacht nur.
„Na, so oa rund' Geburtstag muss doch a würdg…“
Ja, die Notlüge. Der hat doch tatsächlich die Notlüge geschluckt. Dabei… na ja, manche freuen sich schon auf ihre Feiern. Ich nie. Aber meine Mutter… wie gern wäre sie noch siebzig geworden. Sie wälzte selbst auf dem Sterbebett die Gelben Seiten, suchte eine geeignete Gaststätte, wollte mir das nicht allein überlassen. Dabei meinte sie, ich hätte zwar alle Vollmachten. Aber solange sie noch reden und denken kann, wird sie das auch alles allein erledigen.
Stärke? Starrsinn?
Nein, jetzt verstehe ich sie. Wie meine unleserlichen Unterschriften!
Tage vergehen. Bolte behält recht. Ich komme jeden Tag in eine Röhre, die er direkt aus seiner Klinik hat kommen lassen. Erst sträubte sich meine Krankenkasse, aber dann sprach sogar Pechtler dafür. Der hat nichts mehr gegen Bolte. Zumindest arbeiten sie wohl offiziell zusammen. Und meine Medikamente… Pechtler scheint sich nicht mehr aufzuregen.
„Vitamine… diese Konzentration ist zwar eine ganz verrückte… niemand braucht diese Mengen an Vitamin B und auch noch diesen unheimlichen Überschuss an Vitamin E. Aber immerhin… Ihre Knochen haben sich mit Kalzium wieder gefestigt. Passen Sie nur auf, dass Sie nicht zu forsch auftreten… die Konsistenz bleibt angespannt… alles brüchig. Nur eben beweglich… und wieder geschmiert. Im Mittelalter, Herr Rummel, im Mittelalter hätte man meinen Kollegen verbrannt und Sie gleich lebendig begraben!“
Ja, ja… im Mittelalter wäre er selbst auch als Zauberer und Hexenmeister in einem brennenden Teerfass ins Wasser geworfen worden. Er lacht, als ich das leise und mit einer mir fast unbekannten Stimme hervor quetsche.
Reden… das muss ich noch lernen. Das brauche ich auch für meinen großen Tag. Und mein Sohn sucht schon einen Stimmbildner, der mich fit machen soll. Geht das? Kann Bolte mir garantieren, dass sich der ganze Aufwand lohnt, dass ich dann auch wirklich…?
Na ja, ich muss es zumindest versuchen und sehe keinen Grund, mich nicht richtig anzustrengen. Immerhin habe ich doch…
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