„Wohnmobil“ von Stefan Jahnke




Reiseerzählung
Paperback,
308 Seiten
Books on Demand, Norderstedt
Juli 2009
ISBN 978-3-8391-1178-9


Sommerende 1994. Europas Grenzen sind weitestgehend offen. Länder, die bisher unendlich weit schienen, können nun in Stunden und Tagen erreicht und erkundet werden. Ein junges Paar bricht auf, um die neuen Freiheiten zu testen und die Länder südlich von Deutschland bis hin zum Mittelmeer zu erleben. Dabei lernen sie nicht nur Land und Leute kennen, erfahren, wie man in den unterschiedlichen Regionen lebt, sondern haben auch Probleme mit Kultur und Religion zu lösen. Ihr Wohnmobil wird fast Opfer eines Hagelschlages. Knapp entgeht es auch einem Hochwasser. Und immer wieder treffen sie auf Menschen, die ihnen helfen, selbst interessiert sind, mehr über den Osten Deutschlands zu erfahren und ihnen ihr eigenes Land vorzustellen. Aussteiger und Lebemänner, Glamour und Gosse. Alles erleben sie so nahe aneinander, dass sie oft Mühe haben, sich schnell umzustellen, an die jeweils neue Situation anzupassen. Nicht die üblichen Routen fahren die jungen Leute, sondern sie wählen auch Strecken fernab des Tourismus. Dadurch entdecken sie mehr als der Pauschaltourist. Vom chaotischen Campingplatz bis hin zum landestypischen Wein. Kommen Sie mit auf eine Reise durch ein anderes, ein vergangenes und doch so aktuelles Europa.



Leseprobe

Kapitel 8 – Hagelschlag in Südfrankreich


Ist das nicht wie im Mittelalter… mal von den Schildern abgesehen. Aber stellt man sich nicht so die alten Städte vor? Egal wo… in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien… überall sahen sie doch auch ein wenig ähnlich aus. Und dies hier erinnerte mich schon an Rothenburg ob der Tauber, die japanische Kleinstadt unter deutscher Führung… hahaha… Aber ein wenig ist es da schon so. Und hier… hier waren wir völlig allein. Keine fotowilden Touristen, kaum Menschen auf den Straßen, in den Gassen. Interessant und anheimelnd. Und vor allem beruhigend nach so großen Städten wie Cannes, San Remo, Venedig… und wie sie alle hießen.

Jeder Blick bot neue Perspektiven. Überall gab es andere Einblicke in diese alte, neue Welt an unserer Strecke
Kurz nachdem dieses Foto entstand und ich gerade die Videokamera für eine Momentaufnahme hervorglaubte, kam von der oberen Straße auf dem Foto eine alte Ente, ein Citroen aus den Sechzigern, im Mördertempo herunter gebraust. Man hörte ihn schon eine ganze Weile und ich glaubte nicht was ich sah… mit einer halben Bremsung und einem fast halsbrecherischen Stunt zog die Ente an dieser Kreuzung herum und fuhr ohne wirklich zu stoppen im spitzen Winkel zurück in die untere Straße. Auf dem Video habe ich zumindest den Krach dieses Autos festhalten können als es nach unten verschwand und ich musste unweigerlich an die verrückten Schwestern, die Nonnen denken, die mit einem ähnlichen Auto in manchen Louis-de-Funès-Filmen auch verrückte Fahrmanöver hinlegten und selbst den durchgeknallten Polizisten aus St. Tropez zur Verzweiflung brachten.
Ja, so ähnlich ging das auch hier.
Nun, ich war zu langsam. Aber vielleicht hätte mich dieses Foto dazu verleitet, es hier zu zeigen und ich denke, das hätte das Flair dieser Gassen mehr zerstört als hervorgehoben.

Der Regen war schon wieder vorbei. Erst einmal war es zwar noch bewölkt und kühl. Kein Problem, denn wir hatten ja die Zwiebeltaktik gelernt und entsprechend dünne Sachen zum Übereinanderziehen dabei. Ob die Sonne heute noch durchkommen kann? Keine Ahnung. Ich ging aber davon aus. Zumal der Deutsche Wetterdienst für heute gar keinen Regen angesagt hatte. Na, wir werden sehen!
Wir strichen durch den Ort wie durch ein Museum. Da gab es eine lustige alte Laterne, dort einen Trog vor dem Haus, der vielleicht irgendwann einmal das Hausschwein oder das Pferd eines edlen Reiters mit Wasser versorgte. Denn man sollte sich nicht täuschen… die Herren vergangener Tage hatten nicht immer große und geräumige Häuser, ja gar Schlösser. Und es ging ihnen auch nicht immer so gut, wie wir es heute in manchem Film sehen oder in den Mittelalterromanen lesen können. Wenn es den Bauern, den Städtern, den Dörflern nicht gut ging, dann aßen auch die Herren Hirsebrei und tranken statt Wein einfaches Wasser.

Und doch versuchten auch die Herren, sich ein schönes Umfeld aufzubauen. Und die ersten Bürger der kleinen Orte und Städte, aber auch die Bauern, die hiesige alte und junge Landbevölkerung schlechthin versuchten, die Orte und Städte nicht nur funktionell, sondern auch schön zu gestalten.
Torbögen und Treppengänge… all das fanden wir immer wieder vor. Und ich hatte das Gefühl, als wenn man extra für uns gerade eine neue Sektion des Museums eröffnet hätte, von der nur wir allein wussten, sie also ohne andere Besucher besichtigen durften.


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