„Stulpenburgk“ von Stefan Jahnke




Historischer Roman
Paperback,
308 Seiten
Books on Demand, Norderstedt
November 2009
ISBN 978-3-8391-3699-7


An der Sächsischen Grenze im beginnenden 13. Jahrhundert. Der Slawe Moyko von Stulpen beherrscht als Oberster im Rat der slawischen Lusitzi das Gebiet zwischen dem alten Bistum Meißen und dem benachbarten Königreich Böhmen. In jenen Jahren, als König Philipp von Schwaben dafür sorgte dass seine Tochter Otto dem Welfen treu und damit die Kaiserkrone der Staufer in der Familie blieb, versucht der verschlagene Bischof Bruno von Porsendorf mit allen Mitteln Moykos Gebiete mit Intrigen an sich zu ziehen. Auf mysteriöse Weise verstirbt Sybilla, die geliebte Schwester des Stulpen, und auch seine Tochter Jolande wird von Bischofstreuen entführt. In seiner Ausweglosigkeit wendet sich der edle Lusitzi gemeinsam mit seinem Burgkmeister von Crostitz an den künftigen Kaiser Friedrich, der eben durch die Lande reist um Stimmen der Herrscher für seine Wahl nach dem Tode des Welfen zu sammeln. Doch Friedrich denkt nicht daran den einzigen kaisertreuen Slawen zu schützen sondern sorgt dafür, dass gar noch höhere und von den Slawen nicht mehr bezahlbare Steuern eingetrieben werden. Damit beauftragt er Bischof Bruno, der den Stulpen zu einem für alle Lusitzi verhängnisvollen Verrat anstiftet. Spannende Erzählung über die alte slawische Festung, die heute Stolpen heißt. hen Königs Matthias nicht nur für immer seinen Besitz, sondern auch seinen Sohn und Erben.Begleiten Sie Männer, die Frieden suchten, Rechtes taten und Unrecht ernteten.




Leseprobe

Kapitel 3 – Mord am Fuße der Felsen

Drei Wochen waren vergangen. Hart und ohne viele Freuden.
Inzwischen konnte man schon eine ganze Menge mehr von der Burg aus sehen und da wir noch keine Kunden für unsere großen Mengen an Holz hatten, wurden die Schutzwälle der Anlage verstärkt.
Damit konnte man ohne viel Kletterei nun auch nicht mehr über die Palisaden sehen… von innen. Und so musste dazu noch ein Wehrgang her, der noch einmal eine ganze Menge des Holzes verschlang.

Moyko war nicht all zu oft guter Dinge. Er wollte Geld, Silber eintreiben und kam nicht dazu, denn immer wenn er eine Fuhre des Holzes wegfahren lassen wollte, um es in Klingendes umzusetzen, da hatte schon einer meiner Männer, die mit mir gemeinsam die Planung der Befestigung übernommen hatten und trotzdem fleißig bei den Fällarbeiten mitwirkten, nicht nur alles verplant, sondern meist schon bis über die Hälfte verbauen lassen. Und so sah die Burg nun bald auch wie eine für mich eher erkennbare und wehrhafte Burg aus.
Eben nur nicht mehr wie eine slawische, sondern wie eine sächsische.
Moyko fand das nicht gut… nicht nur, weil er sein Holz nicht unter die Leute bekam, sondern auch, weil er sich in diesem Monstrum nicht so recht wohl fühlte. Vorerst…
„Die niedrige Befestigung war besser… da hatte man eine Übersicht und konnte auch schneller erkennen, wo etwas auszubessern ist. Jetzt aber, da haben wir alles hoch und tief, breit und schmal… ich finde mich nicht mehr zurecht!“
Und sicher hatte er auch bei Diesem oder Jenem Recht. Aber ich machte weiter und auch er verbot dies nicht, sondern freute sich dann, wenn das Eine oder Andere fertig war und er den Sinn von Klappen vor den Schießscharten, von extra hohen Türmen, von stabilen Gängen unterhalb der Palisaden erkannte.
Seine Schwester hingegen wollte sich nicht beruhigen lassen.
Mich ignorierte sie weiter und auch ihren Bruder schien sie mehr und mehr zu vernachlässigen.
Vielleicht hatte er den Fehler begangen und ihr erzählt, was ich ihm im Vertrauen sagte. Und da dem nichts weiter hinzuzusetzen war, hatte sie auch keine Argumente gegen mich. Vielmehr war es nun ihr Stolz, der sie sich von mir abwenden ließ.

Eines Abends jedoch, da überprüfte ich noch einmal die Stabilität des Umganges und war ganz allein auf der oberen Verschanzung.
Ich wollte eben noch einige Schläge ausführen, als ich einen Schatten auf mich zukommen sah.
Erst dachte ich ja, dass da ein Tier entlang huscht. Dann dachte ich an Wladislaw, der mir vielleicht noch einmal beistehen wollte. Aber ich konnte es mir nicht vorstellen, denn ich hatte ihn ja persönlich zum Abendmahl als Feuer geschickt… und da er wusste, dass ich keine Widerrede duldete wenn es um die Unterstellung ging, da würde er sich wohl auch nicht hierher trauen.
Nein…
Ich schaute hinter mich. „Na, Bernhard von Crostitz, wird das denn alles halten?“ Da stand sie. Wie Lada, die Göttin der Liebe und Schönheit persönlich… und doch irgendwie anders… verschlagener!
„Sybilla!“
Ich war zu überrascht darüber dass sie sich zu mir begab und auch noch das Wort an mich richtete, dass ich einfach hocken blieb und noch diesen Schlägel in der Hand hatte, mit dem ich die Verbindungen prüfte. „Soll ich hier stehen bleiben oder können wir uns irgendwo, wo es vielleicht nicht so sehr nach Arbeit aussieht, unterhalten?“
Sie wollte reden… mit mir, der ihr doch einen gewaltigen Korb gegeben hatte.
„Nicht doch… gehen wir in den Wachturm dort… der ist dieser Tage noch unbesetzt!“
Was Blöderes fiel mir auch nicht ein. Aber Sybilla schien alles recht zu sein, wenn sie nur endlich reden konnte.
Und als wir dann oben waren… da brach es nicht etwa aus ihr heraus, sondern sie gab mir eine schallende Ohrfeige.
„So, Ihr Burgkmeister, oder wie Euch mein Bruder genannt hat… das habt Ihr nun davon, wenn Ihr einer Frau so etwas antut… und es dann auch noch berichtet!“
Na, liebes Weib… das war wohl nicht unbedingt die richtige Art und Weise, wie man mit einem Manne umgeht, dem es vor allem um Treue und Ehre geht.
Ich ging auf sie zu. Absichtlich fletschte ich die Zähne und sah aus, als wenn ich sie jetzt gleich vom Turm werfen will. Und ich erreichte was ich wollte… die Überheblichkeit verschwand aus ihrem Gesicht. Sie wurde ängstlich und wenn ich sie nicht endlich in den Arm genommen und ihr mit meinem Mund den ihren verschlossen hätte, dann wären wohl gleich eine Menge Leute zur Stelle gewesen, die auf einen sicher laut gellenden Schrei von ihr angelockt worden wären.
Nichts da… ich drückte sie an mich und durfte es doch nicht.
Sie sträubte sich erst… dann ließ sie nach und ergab sich, ja erwiderte meinen Kuss gar innig. Und dann stieß sie mich von sich.
Hatte ich sie falsch verstanden?
„So, Bernhard von Crostitz… soviel habt Ihr mir und meinem Bruder erzählt, das mit Treue und alledem zu tun hat. Und dann… nur weil ein paar Wochen vergangen sind… da denkt Ihr, Ihr könnt all dies über den Haufen werfen und Euch zu einem Liebhaber aufspielen und eine Frau entehren, die die höchste hier oben ist? Schämt Euch!“
Sie lachte dabei. Leise… und sie kam auf mich zu, umarmte mich noch einmal. „Dummer Kerl… das hättest Du schon eher haben können. Und meinen Bruder… den hätte ich schon besänftigt. Schließlich hört er auf mich… manchmal… aber in diesen Dingen sicher immer!“ Ich fasste es nicht. Und doch war es wahr.
„Nein… nein!“ Ich stieß sie von mir. War das denn eine Hexe… so wie die Baba… die Baba Jaga… ich sah ihr ins Gesicht… schön und verschlagen… wie vorher… Nein, das wollte ich nicht!
„Nicht so. Ich will das alles. Aber nicht so, das wir uns dafür schämen, uns damit verstecken müssen!“
Jetzt wich das Lächeln nicht dem Hass… eher der Langweile.
„Schon wieder… und immer diese blöde Ehre.“
Sie schien zu meinen was sie sagte. Und das öffnete mir die Augen.
Nein, sie war nicht böse. Sie war unersättlich und konnte kein Nein akzeptieren. Und das, ja so ist es, das war sehr schade!
„Verzeiht, Sybilla von Stulpen… ich habe mich ungehörig verhalten und werde es nicht wieder tun. Und jetzt sollten wir getrennte Wege gehen. Ich habe Euch gern. Aber ich kann nicht nach Eurer Pfeife tanzen. Und wenn Ihr das nicht einseht, dann müsst Ihr eben tun, was Ihr denkt tun zu müssen!“
Ich drehte mich um und stieg den Turm hinunter.
Hinter mir hörte ich wütendes Hämmern.
Ihre Fäuste bearbeiteten sicher die Seiten des Wachturmes und ich hatte erst Sorge, dass sie sich nun wohl etwas antun würde. Doch dann besann ich mich… nein, dazu hing sie viel zu sehr am Leben. Niemals würde sie aufgeben… auch wenn sie mich verlor… sie würde einen Anderen finden, den sie mit ihrer Gunst an sich binden könnte… Und vielleicht wird ihre Rache gegen mich nicht einmal so stark ausfallen, dass sie sich auch zurück hält, ihren Bruder für meine Entlassung zu begeistern.
Na, egal… ich habe zumindest bewiesen, dass ich mich an gegebene Worte halte. Und sie hat bewiesen, dass sie es nicht wert ist.
Liebe? Wie komme ich auf dieses Wort?
Nein, mit Liebe und Zuneigung hatte dies alles nichts zu tun. Nicht bei ihr! Vielleicht bei mir?
Selbst wenn… um meiner und ihret Willen musste ich mich beherrschen. Denn so passten wir nicht zusammen. Nie!
Ich sah zum Turm zurück als ich den Wachgang verließ.
Mir war es, als wenn ich ein Wimmern hören würde…
Weinte sie? Dieses Weib?
Das würde nun dem Fass den Boden ausschlagen!
Erst will sie mich in der ersten Nacht, dann redet sie gar über meine Abweisung mit ihrem Bruder und ignoriert mich viele Wochen. Und jetzt hat sie tatsächlich geglaubt, dass ich mit ihr gehen werde, wenn sie sich ausdenkt, mich noch einmal zu bezirzen?
Nun, fast hatte sie es ja geschafft…
Aber eben nur fast.
Und ich hörte schon von Frauen, Weibern eher… Dirnen, die es nicht verstehen können und wollen, dass man sie abweist. Zu oft sollte man das ja auch bei normalen Frauen nicht tun… obwohl man da meist der ist, der bezirzt. Welches Weib bettelt schon um Gunst?
Ach… Weiber…
Ich bin jung. Sie ist es auch.
Und sie wird andere Kerle haben können.
Ich habe meine Arbeit, meine Stellung und muss mich hier betun. Das allein zählt. Und sie kann sich ja mit ihren Dingen beschäftigen.
Was macht sie denn den ganzen Tag?
Träumen nachhängen?
Es steht mir nicht zu, sie zu verdammen. Und sie hat auch mir nicht die Suppe zu versalzen.
Ach Philipp… hättest Du sie nicht nehmen können? Oder sie an Otto weiter gereicht… Dann wäre vielen geholfen gewesen… den Slawen, denn sie wäre eine prächtige Fürsprecherin für alle Dinge, die Moyko vielleicht in Zukunft noch erreichen will. Und außerdem wäre sie nicht hier und würde Unfrieden stiften… Zumindest habe ich das dumme Gefühl, dass noch etwas geschehen wird… wegen ihr… mit ihr? Ich weiß es nicht. Aber dieses Gefühl ist da.
Ich muss mich übergeben.
Nein, sie widert mich nicht an. ich kann nur nicht an diese ganze Sache denken... ich muss immer wieder an diesen Traum…
Oh dieser Traum…
Nein, ich will nicht an sie denken… nicht nackt, nicht im Blute, nicht tot. Und doch muss ich… ich kann nicht anders… gerade nach ihrem heutigen Auftritt… Wie weich ihre Haut, wie hart ihre Brust…
Arbeit… das ist wohl das Einzige, was mich jetzt noch von diesen trüben Gedanken abbringen kann. Aber vorher muss ich diese Nacht durchstehen. Doch als Mann wird das sicher nicht das einzige Problem sein, welches ich nicht lösen kann…
Süße Träume?
Von wegen… nur Albträume… und davon nicht zu wenige.
Immer wieder Blut…
Tage später… Ich gehe zur Alten.
Ja, ich habe mir heute ein paar Stunden frei genommen, sagte Moyko, dass ich mich finden müsse, denn ich weiß nicht, ob ich nun seiner Schwester gut oder böse sein solle. Er als Mann weiß, was ich damit meine. Und als mein Herr ist er dankbar dafür, dass ich ihn einweihe in meine Gefühle. Denn als Bruder seiner Schwester muss er ja vielleicht eines Tages eine Entscheidung treffen… eine Entscheidung zu uns. Und wie kann er das, wenn er nicht weiß, was ich denke, was ich will. Was seine Schwester will, das weiß er nur zu gut…


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