„Steinberg“ von Stefan Jahnke




Historischer Roman
Paperback,
308 Seiten
Books on Demand, Norderstedt
Juli 2010
ISBN 978-3-8423-0007-1


1385. Burggraf Jeschke von der Dohna will den hochnäsigen Markgrafen Wilhelm von Meißen beim Adelstanze in Dresden ärgern und verkleidet seinen Diener Jonas Daniel als ehrenwerten Gast. Gemeinsam mit ihm bändelt er mit verschiedenen gut situierten Damen an und löst durch eine darum dem Herrn von Körbitz gegebene Ohrfeige die Dohnaische Fehde aus, in deren Verlauf seine Familie viele Mitglieder, sämtliche Macht, Gebiete und Ansprüche an der Elbe und im Erzgebirge verliert. Ende des 16. Jh. versucht der in Venedig lebende Schriftsteller und Nachfahre Jeschkes, Friedrich von Donin, im Geheimen auf dem der alten Stammburg seiner Familie in Dohna gegenüberliegenden ehemals slawischen Landgut und Vorwerk Kamyk, auch Steinberg genannt und heute als Gut Gamig bekannt, die Wahrheit über jene Fehde und die Hintergründe zum immer noch geltenden Aufenthaltsverbot für Körbitzer und Dohnaer im Meißner Land zu ergründen. Dabei findet er während spannender Ermittlungen gemeinsam mit Jakob von Körbitz, Nachfahre des einst geohrfeigten Herrn und als Bruder Jacobus die rechte Hand des Heiligen Vaters in Rom, Erstaunliches und Verworrenes rund um einen von Wilhelm dem Einäugigen geschickt inszenierten Landraub der Wettiner mit Duldung durch Kaiser und Kirche.




Leseprobe

Prolog (Auszug)

"Ach, von Donin, was Ihr mir hier abverlangt!" Der dicke Küster keuchte fürchterlich und hätte damit vielleicht eher das rechte Pferd abgegeben, als er nun vor mir eintraf und sich mit seiner ganzen Leibesfülle aus dem schäbigen alten Sattel zum Boden aufmachte.
Natürlich war ich ihm behilflich. Und ich achtete seit Wochen sehr genau darauf, dass man mir nicht ein böses Wort nachzusagen hatte. Selbst ein Schreiberling wie ich, heute hier und morgen da, muss sich eben ein wenig anpassen.
Endlich gewann der Kirchendiener den sicheren Boden zurück.
"Ah…" Das war alles, was er von sich gab, als er sich mit seiner Fülle auf den Schemel fallen ließ. Agnes schaffte den schnell herbei, als ich das Pferd des Treuen von Dohna herüberkommen sah. Und auch wenn ich wahrlich nicht mit einem Besuch des Freundes rechnete, so war ich doch darauf vorbereitet. Irgendwann, so war es in mir seit Tagen, irgendwann kommt er und will sehen, ob ich es wirklich wage, diesen uns seit Jahren verbotenen Grund zu betreten. Aber, und das ist mein Glück, die von Mennewitz sind nicht nachtragend, eher einsichtig und vorausschauend. Außerdem erhielten sie gutes Silber für diese treue Tat. Und alles nur, um einen flüchtigen Blick auf die alten Gebiete erhaschen zu könne.
"Agnes, bring Wein!" Wie von Selbst rief ich das und sie eilte davon, was natürlich meinen Gast nun in arge Bedrängnis brachte.
"Donin, helft mir…!"
Ich eilte hinzu. Gerade noch zur rechten Zeit. Denn Calrin, mein Freund, drohte wegen seiner Fülle von jenem Schemel zu rutschen. Aber ich durfte das Schlimmste verhindern.
"Gut, gut… drückt mir nicht noch blaue Flecke!"
Er lachte mich an und schien sein Gleichgewicht auf dem schmalen Platze gefunden. Doch auch das Keuchen war wieder da und ich hatte ernste Sorge, dass er mir hier nach diesem Ritte noch das letzte von sich gibt. Aber zum Glück kam Agnes schon mit dem kühlen Trunk.
Der Küster griff gierig nach dem Becher, fühlte wohl, dass der auch wirklich kalt war, und stürzte seinen ganzen Inhalt mit einem Male hinunter. Dann, noch ehe er Agnes auch nur zu verstehen geben konnte, dass es ihm nach mehr davon war, stieß er einen so lauten Rülpser aus, dass sich gar Mening, der Knecht, der gerade die Einfahrt fegte, angewidert abwandte. Doch Agnes kannte das. Nicht von dem da, sondern eher von anderen Mannsbildern, die zu hastig schütten. Und schon füllte sie den Becher noch einmal.
"Ha, es geht doch nichts über diesen Traubensaft von den Hängen derer von Dohna!"
Wie zum Hohn sprach mein Freund diese Worte. Dabei wusste ich sehr gut, dass er mir nichts Böses will. Wie auch? Würde er mich hier besuchen, wenn er Verrat oder gar Feindschaft suchte? Nein, sicher nicht! Und doch zuckte Agnes bei diesen Worten zusammen, gab mir ein Zeichen und wir gingen ein paar Schritte abseits, was natürlich Calrin nicht störte, weil er sich am Weine gütlich tat.
"Meint Ihr wirklich, Herr, dass das ein Freund ist?"
Ich nickte und sah ihr dabei fest in die Augen. Längst wussten wir beide, dass wir einander gut sind und doch blieb eine gewisse Furcht zwischen uns. Eben, weil ich nicht hätte hier sein dürfen. Auch wenn die Mennewitzer mich duldeten, keinen Zweifel daran ließen, dass ich hierher gehöre und unter ihrem Schutze stehe… Die Angst ist nicht unbegründet, denn ich bin ein Verstoßener. Nicht ich allein. Meine ganze große und alte Sippe.
Agnes schüttelt den Kopf. "Ihr seid verrückt. Der Mann kann Euch vernichten. Und wir wollen doch weiter in die Welt, gemeinsam vieles erleben. Überlegt… wenn er etwas verrät…"
Ich greife ihren Arm und sie schaut gleich scheu um sich, dass uns auch niemand anderes dabei überrascht. "Er ist ein Freund. Und warum sollte er den Weg auf sich nehmen, wenn er mich nur verraten will? Dann hätte er einfach die Schergen schicken und mich greifen lassen können. Nein, er will der alten Freundschaft willen, die seine und meine Sippe bindet, nur reden, mir erklären, was ich doch bisher nicht begreifen kann!"
Laut donnernd werden wir aus dem Reden gerissen. Die Glocke der Kapelle, gleich da drüben, schlägt die Mittagsstunde und mein Küster rutscht ganz langsam, sicher ein wenig benebelt vom Wein in der Hitze, nach unten.
"Oh Gott… was gibst Du mir für Prüfungen auf!"
Wir sind bei ihm. Aber Calrin genießt nicht nur die nun nicht schlimmer werdende Lage, sondern schaut Agnes auch noch unzüchtig von unten her an.
"Ein hübsches Liebchen, das Euch da nun hierher gebracht hat!"
Ich greife mir einen Reißer des Weidenbusches neben dem klapprigen Tisch und lasse ihn ohne Kraft auf seinem breiten Hintern tanzen. Und auch wenn Agnes die Hände vor die Augen schlägt, so wundert sie sich doch, dass Calrin plötzlich anfängt zu lachen.
"Glaubt Ihr wirklich, ich sei ein Feind?"
Tränen hat er in den Augen. Freudentränen.
"Nein, Mädchen, dazu verehre ich viel zu sehr, was Euer Liebster da hin und wieder verzapft, wenn er es zu Papier bringt!"
Und wie als wenn er es bekräftigen will, zitiert er einige Zeilen aus meinem Buch über die letzte Reise nach Süden. Ich schüttle den Kopf und wundere mich wirklich über diesen Knaben, der, kaum so alt wie ich, nur eben dreimal so dick, wie ein Käfer strampelnd am Boden liegt, gar den Schemel mit seinem Sturz zerbrach und Worte darbietet, die ich selbst jetzt, da ich weiß, dass sie von mir sind, fremd und schön wahrnehme. Und ich lache aus vollstem Herzen, dass Mening, der sich bisher zurück hielt, nun wieder durch das Tor tritt und sicher denkt, der Teufel und all seine Höllenbuben wären in mich gefahren. Doch als er den Dicken strampelnd am Boden sieht… nun, da kommt er ebenfalls laut lachend herzu und hilft mir, ihn wieder richtig zu rücken. Aber der Schemel ist nicht mehr zu gebrauchen.
"Ach, lasst gut sein… setzt mich auf den Boden und lehnt mich an die Kapellenmauer. Da habe ich es fast genauso fein, wie der gute alte Pater Sebastian, der vor vielen Jahrzehnten diese Kapelle bauen ließ!"
Mening sah mich fragend an und weil ich jene Geschichte auch zum ersten Male hörte, da begann der Küster gleich zu erzählen.
"Ja, damals gab es eine Menge Zwistigkeiten hier im Lande. Der Sigismund machte einen Frieden mit unserem Fürsten und die alten Birken sollten gehen. Doch davor schon hatten die wohl nur Gewalt im Sinn. Einer gar, der trieb es arg. Der Germar von der Duba. Den nannte man auch den ‚Birkfalken'. Und Sebastian wollte damals vermitteln. Aber das brachte nichts. Doch seinen Mut bekam er belohnt." Er sah verschmitzt in die Runde.
"Ja, der Gruna, ein Freund wohl, der gab ihm aus dem Besitz des Mannes vom Falkenstein, den man wohl auf dem Königstein in vier sehr ungleiche Teile zerriss. Und, was doch eigentlich ein Blutgeld hätte sein müssen, kam so Gott zu gute."
Ah, ja… das hatte mein Vater mir berichtet. Eine kleine und windschiefe Kapelle soll es gegeben haben auf Steinberg, das man auch Gamig nennt. Und der Pater lebte wohl in einer noch viel schieferen Hütte gleich daneben. Doch dann, aus fast unerklärlichem Grunde, hatte dieser arme Prediger Silber, das ihm die von Mennewitz nicht einmal abnahmen. Nun, vielleicht doch… denn die Kapelle soll von den Knechten vom Gut errichtet worden sein. Sehr zum Gefallen der Padres aus Altzella, die hier Korn anbauen ließen.
Ich wusste, wenn Calrin kommt, dann habe ich mit Sicherheit eine Menge zu lernen. Und ich wurde keineswegs enttäuscht. Denn schon begann mein Unterricht. Zwar nicht bei meinen Vorvätern und den Gründen, warum sie nun hier, genau wie ich, nicht mehr geduldet sind. Aber eben bei der alten Kapelle und dem doch für dieses kleine Gut recht großen Neubau auf Steinberg.
Calrin streckte die Hand aus, wollte noch einen Becher.
Schließlich, und das musste ich befürchten, war er nicht nur vollends besoffen, sondern auch noch so weg, das er, einem Toten gleich, direkt an der Kapellenmauer zusammenfiel und nun nicht mehr dasaß, sondern lag. Oh, meinte ich‚ wie tot? Aber das wäre ja…
Nein, weit gefehlt…


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