„Romtourist“ von Stefan Jahnke




Reiseerzählung
Paperback,
308 Seiten
Books on Demand, Norderstedt
April 2010
ISBN 978-3-8391-6988-9


1993. Ziel einer bunt in ganz Deutschland zusammengestellten Busreisegruppe ist die Ewige Stadt Rom. Erholungsreise oder Abenteuerurlaub? Reifenpanne, unfreundliche Monteure und ein fast verpasster Anschluss in Nürnberg überschatten schon die ersten Kilometer. Unterschiedlichste Charaktere prallen aufeinander. Singles auf Partnersuche, ein quengelndes Kind mit seinen genervten Eltern, sich ein Leben lang auf solch eine Reise freuende Rentner und sehr von sich überzeugte Paare aus Ost und West. Diese Mischung verspricht, interessant zu werden. Schließlich erreichen die Touristen Rom und kommen vom Regen in die Traufe. Ihre Reiseleiterin scheint der katholischen Kirche nicht wirklich zugewandt zu sein, was sie auf den klassischen Rundfahrten durch die antik-moderne Stadt nur zu deutlich vertritt. Fast nebenbei geraten einige Reisende unbeabsichtigt beim Betreten der vatikanischen Bibliotheken in die Hand der Schweizer Garde. Dann erkrankt ein Tourist schwer, muss die Fahrt gar abbrechen. Wie verarbeitet man dabei diese Stadt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Kunst und Kitsch? Begleiten Sie Stefan Jahnke in die Machtzentrale der alten Welt.



Leseprobe

Kapitel 7 - Rom bei Nacht(Auszug)

"Ah, Familie Jahnke, gut dass Sie jetzt schon da sind. Sie haben eine Nachricht von ihrer Reiseleiterin. Es soll um heute Abend gehen!" Ich ahnte Schreckliches. Gerade ging der Zeiger auf 17:00 Uhr. Wir hatten uns richtig verquatscht und auch lange gebraucht, um vom Hügel des Observatoriums hinunter und zur U-Bahn zu kommen. Und ob es für uns wirklich ein Erlebnis war, diese unterirdische Schüttel zu benutzen. Nun, zumindest waren die Wagen sauber, wenn sie auch einen klapprigen und alten Eindruck machten.
Trotzdem landeten wir dann irgendwann wohlbehalten an der U-Bahn-Station in Nähe des Hotels und freuten uns eigentlich auf einen ruhigen Abend. Vielleicht ein wenig eher als gestern Abendessen, dann noch eine Runde ums Hotel drehen und zeitig schlafen gehen. Denn morgen soll es ja ins christliche Rom gehen. Interessant. Und bei den vielen Stationen, die auf diesem 'Dreivierteltagesausflug' anstehen auch sicher anstrengend. Kann ich mir gut vorstellen!
Und nun?
Mutti öffnet das Kuvert.
"Ah, wir haben heute unsere Fahrt 'Nächtliches Rom'!"
Prima.
Genau das hatte ich befürchtet.
Gut, dann los. Jetzt essen, dann frisch machen und…
"21:00 Uhr sollen wir vor dem Hotel stehen!"
Um diese Zeit war es gestern dunkel. In Ordnung, dann sind wir auch nicht zu verschlafen… hoffe ich, denn der Adrenalinschub wird uns munter machen. Ganz sicher!

Nachdem wir uns frisch gemacht haben und ich auch noch eine andere Hose anzog, das Hemd wechselte und Mutti Ähnliches erledigte, saßen wir bald im Essenraum des Hotels. Die Gäste hatten ja ein eigenes Restaurant. Und das war recht groß, hatte Blick auf die Pinien gegenüber und war nicht zu vergleichen mit dem kleinen Restaurant für die Hotelfremden, das auch immer leer war. Obwohl es doch gerade wie eine kleine Weinbar aussah. Nun ja, aber wer von wirklich esshungrigen Gästen wird sich denn hierher verirren? Die haben doch die Innenstadt im Kopf… und nicht diese… mit Verlaub… Provinz! Aber was half es… wir saßen an unserem Tisch und wurden gut bedient. Denn heute gab es kein Buffet, sondern Fisch. Mit Kartoffeln. Es sollte Seehecht sein. Schmeckte auf jeden Fall und war auch nicht schwer. Genau richtig vor der bevorstehenden Nacht.
Gegen Sieben waren wir fertig. Noch zwei Stunden. Vielleicht einfach ein wenig in die Lobby setzten, Leute beobachten und vor uns hindösen? Ja, das war es doch!
Wir bestellten uns dort noch etwas zu trinken. Natürlich verzichteten wir auf Alkohol. Der macht müde. Und wenn wir schon diesen Abend in der Farbenpracht der Dunkelheit verbringen wollen… Halt. Die Reiseführer und Ansichtskarten zeigten eigentlich immer ein recht buntes Treiben um die nächtlichen Stunden herum. Mal sehen, wohin man uns so fährt!

Lustig ist es schon, so eine Hotellobby zu beobachten. Nein, wir saßen nicht klassisch wie im Krimi mit einer Zeitung hoch vor dem Gesicht und hatten in der vielleicht gar noch ein paar Sehschlitze. Nein, wir schauten jedem in die Augen. Nur schien uns niemand außer dem Kellner wirklich wahrzunehmen. Gut, der füllte immer mal mein Wasser auf und auch Mutti bekam dann alle halben Stunden einen neuen Saft. Dabei hatten wir gar keine Flatrate, wie man das wohl nennen sollte, wenn man sich unendlich an bestimmten Dingen bedienen durfte. Alles würde auf unserer Hotelrechnung erscheinen. Aber damit, hofften wir zumindest, würden wir schon leben können.


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