„Omegamord“ von Stefan Jahnke
Kriminalroman
Paperback,
308 Seiten
Books on Demand, Norderstedt
Juni 2013
ISBN 978-3-7322-4914-5
Wie jedes Jahr kurz vor Weihnachten bereitet sich Hauptkommissar Sorge auf seine Gastvorlesung bei den Juristen der TU Dresden vor.
Diesmal jedoch ist es anders.
Seit Jahrzehnten hält der aufgrund der Zeichnung seiner Opfer ‚Omegamörder’ benannte Täter Europa in Atem. Alle sechs bis zehn Jahre geschieht ein neuer Mord an anderem Ort.
Ein Mord? Nein, oft eine ganze Serie, die vermuten lässt, er wird nicht einmal den Hauch der Möglichkeit einer Entdeckung durch Zeugen zulassen. Und doch beging er Fehler.
Sorge, erst Glied drei in der Kette der Ermittler aus London, Grenoble, Dresden, Kreta und Barcelona, blieb der Beharrlichste unter ihnen. Vielleicht, weil ihm jener Fall im Alberthafen einst trotz fehlendem Zugriff gehörigen Respekt der westlichen Kollegen in den Wendejahren einbrachte?
Gut, dass sie sich fanden, denkt er beim Blick auf Fotos der vielen erstickten, erdrosselten, ertrunkenen, erschlagenen, zerstückelten und weggeworfenen Toten. Nun tauschten sie schon Jahr für Jahr Neues aus und kamen so dem Mörder näher.
Anfang und Ende… Jedes Opfer trug ein griechisches Alpha auf der einen Hüfte, einige, meist die, die zuerst an einem Ort sterben mussten, noch ein Omega auf der anderen.
Hilferuf oder eher Hohn des Mörders?
Dieser Tag, denkt Sorge, der wird alles klären.
Kapitel 3 - Wassersport und Mord (Auszug)
...
"Budenschwung!"
Er ruft es eines Morgens im April. In der Zeitung las er, dass irgendein Verein, der sich um ein schöneres Dresden zu kümmern beabsichtigt, nun dazu aufruft, die Elbwiesen und die angrenzenden Gebiete zu reinigen. Das wäre auch etwas für seine Schule. Es sieht manchmal verheerend aus… drum herum. In der Baracke, die noch nicht größer, nicht stabiler und nicht viel dichter wurde, als zu Beginn der Tätigkeit für Sorge und seine Kollegen, hält Susanne alles sauber und hat dies auch im Griff.
Seine Cotrainer schauen ihn ganz entgeistert an. Was soll das nun wieder? Neue Ideen? Die kann man nicht immer gebrauchen. Er flucht einen Moment. Die sind… nicht die Hellsten. Er arbeitet trotzdem mit ihnen, denn sie… leisten gute Arbeit und bekommen die Hunde immer hin. Mal von Buggy abgesehen, der außer ihm und Susanne niemanden an sich heranlässt.
"Was sollen wir tun?"
Er lacht bei der Frage. Na, einfach einen Müllsack nehmen und die Ufer abgehen. Nichts weiter. Erklären und zeigen wird er es ihnen nicht erst. Ja, mitmachen schon. Aber… Er ist schließlich niemandes Hanswurst. Auch nicht der seiner Schule.
Sie stehen an der Hafenausfahrt. Wieder kommt ein Kahn heraus. Die Jachten, wie sie die recht großen Boote der Reichen nennen, stehen drüben im Pieschener Hafen. Hier kommen nur Frachtkähne herein und der Hafen selbst, wenn auch nicht mehr ganz so abgeschirmt, wie zu DDR-Zeiten, ist ein Sperrgebiet, eine Art Freihafen. Nein, nicht wirklich. Jedoch wird überwacht. Polizisten aus seinem kleinen Revier laufen Streife und kontrollieren sogar die Radfahrer, die den Radweg nutzen und sich meist im Schlamm oder mit zugewachsenen Strecken entlang der Elbe abmühen müssen. Gut? Man fühlt sich sicher. Während inzwischen in vielen Erfolg versprechenden Firmen eingebrochen wurde, traut sich niemand an seine Baracke. Sicher nicht nur wegen der Polizei gleich um die Ecke, sondern vor allem wegen der Hunde, die auch des Nachts hin und wieder kläffen. Hier stören sie niemanden. In Niedersedlitz bekäme er sicher viel Ärger… bei der heutigen Einstellung der Leute?
Nun ja, er kommt wie immer von allen nur sinnvollen Themen ab und… kümmert sich um nichts Gescheites. Wie zum Beispiel um den Müll. Nein, falsch. Heute wird alles um seinen Trainingsplatz herum gereinigt. Endlich.
"Hier drüben noch. Treibgut… viel Dreck… Handschuhe nicht vergessen! Los jetzt… wir wollen noch fertig werden… Heute!"
Er grinst dabei. Da schwimmen Plastikflaschen und ein kaputter Topf… wie kann der schwimmen? Ist ja aus Metall. Egal. Er muss weg.
Die Säcke füllen sich. Drei sind es schon. Na, sicher schimpfen die Müllmänner wieder. Erst toben sie, wenn sie eine halbe Tonne mitnehmen müssen und er darauf besteht, sie auch als solche zu vermerken. Dann sind sie sauer, ist gar nichts drinnen… und steht zu viel bereit… ist es ihnen auch nicht recht. Egal. Ist nicht sein Job.
"So, nun haben wir alles. Sieht richtig… oh, Mist. Da drüben liegt noch was."
Er schaut hinüber auf die andere Seite der maroden und verrosteten, nun schon zur Hälfte gesperrten Hafenbrücke. Ist nicht mehr sein Gebiet, aber eben… man sieht es von hier aus. Bunt. Vielleicht aus einer dieser neuen Kleidertonnen? Das versteht er noch nicht ganz. Na ja, schon. Man sammelt für die Bedürftigen. Aber was die Leute manchmal da hineinwerfen… er ertappte sich selbst dabei. Schuhe mit Löchern in den Sohlen. Die nimmt sicher niemand mehr. Zum Schuster… der wäre teurer als ein Paar neue Schuhe. Nein, nicht der Schuster, sondern eher die Reparatur durch diesen. Wie die Preise stiegen! Ja, seine Hunde kosten inzwischen ausgebildet ebenso das Zehnfache… reicht gar nicht. Jedenfalls viel mehr, als noch… im Frühjahr 1989. Die Zeit rennt. Susanne auch. Sie schnappte sich einen leeren Sack und will drüben aufräumen. Gutes Mädel!
Susanne schwitzt. Er sieht es bis hier herüber. Kluge steht immer noch am Wasser und schaut zu ihr. Ja, vielleicht hätte er anbieten sollen, die Arbeit selbst zu übernehmen. Nein, er ist nicht der Typ, der Frauen arbeiten lässt. Aber sie bot sich selbst an, drängte sich danach. Was kann er dafür?
Die großen Schweißflecke unter ihren Achseln ziehen sich schon hinüber zu ihren Brüsten. Noch nie dachte er an sie als Frau. Immer nur als die, die sich eben mit solchen Sonderfällen auskennt, wie Buggy. Und er ist stolz auf sie. So soll es bleiben. Nichts anderes hat es da zu geben. Er ist der Boss und… sie macht nur dienstlich, was er verlangt. Wie jetzt. Nein, das verlangte er nicht. Egal. Er ist zu kleinlich. Manchmal versteht er sich nicht.
Jetzt ist sie wohl fertig. Musste an diesem bunten Zeug ganz schön zerren. Verfing sich wohl im Gestrüpp. Ist ja auch alles zugewachsen. Da hinten, weiter zur Brücke hin, sollte es mal eine Verladerampe geben. Er wunderte sich zwar über das Ansinnen, aber man machte nicht weiter. War vielleicht… schon zu verkommen? Dabei braucht Dresden irgendwo außerhalb der Häfen noch solche Plätze. Für Container oder auch übergroße Fracht. Hier am Flügelweg wäre der rechte Ort. Nahe des Alberthafens und außerdem eine gute Anbindung gleich an zwei Autobahnanschlussstellen. Sogar für die ganz großen und besonders schweren Lasten, die man nur oben auf der Trasse transportieren kann. Hier würde man… nein, er schweift ab. Sein Geschäft sind und bleiben die Hunde und er… will sich nicht an diesen ewigen Diskussionen beteiligen. Dann wird er noch so verbiestert wie der Sorge. Der tut ihm manchmal leid. Vielleicht sagt er ihm einmal, er solle sich endlich einen ordentlichen Job suchen? Nein, das wiederum wäre… gemein.
"Warte, Susanne, ich komme Dir entgegen. Musst Du nicht allein tragen! Warte nur…"
Sie winkt ab, schultert den übervollen Sack. Gleich fallen ein paar Stücke heraus, die sie natürlich auch noch aus der näheren Umgebung dieses Kleiderpulks aufsammeln musste, und sie beginnt noch einmal, alles so zu verladen, dass sie guten Gewissens sagen kann, dort sieht es bereits… annähernd sauber aus. Schon klettert sie samt des schweren Sackes auf den Schultern den kleinen Hang neben der Brückenauffahrt hinauf und steht vor dem verrosteten Ding, das früher sogar schon als Baudenkmal durch die Presse geisterte, dann jedoch von der Liste gestrichen wurde, weil man in der DDR nicht genug Geld auftreiben konnte, um eine Brückensanierung durchzuführen. Geschichte… überall lebt sie… und besonders gerade hier im Hafen, der den Namen eines der alten sächsischen Könige trägt.
Nun kommt sie. Kluge schluckt.
"Mann, Mädel… gut jetzt!"
Er will zugreifen, winkt seinen beiden Cotrainern, doch die tun wieder einmal so, als sehen sie nichts. Blödes Pack! Als Trainer ganz in Ordnung. Aber wenn es mal um eine Hilfestellung geht… na ja, man kann sich eben seine Leute nicht backen. Zum Glück kommen sie nicht aus dem Westen. Dann dächte er sicher das Gleiche, wie Sorge über seine Chefs…
"So, stell den Kram einfach hierher. Übermorgen kommt die Müllabfuhr und die nehmen das alles mit… will ich denen jedenfalls geraten haben… hahaha!"
Susanne verzieht das Gesicht. Sie hat sich wohl irgendwo verrenkt, kann nicht ganz gerade gehen.
"Verdammt noch eines! Mädel… warte!"
Nein, sicher ist er kein wirklicher Masseur. Seine Frau brachte ihm vor Jahren… Jahrzehnte muss das jetzt her sein… da brachte sie ihm einiges bei. Sie lernte mal ein paar Wochen beim ‚Einrenker’ in Pulsnitz. Nun ist sie schon so lange tot und er meint, sich an einige Griffe… Handgriffe eher… sich eben noch daran erinnern zu können. Vielleicht auch nicht. Er schluckt. Wie sagte sie immer? Mit einem falschen Herangehen kann man jemanden mit nur einigen Zügen für immer ausschalten. Nein, das wird er nicht tun.
"Entspann Dich, ja?"
Die Pflegerin setzt sich auf die kleine Bank, die Kluge schnell noch von der Wand wegrückte.
"So. Nun ganz locker lassen. Ja, ich weiß. Das geht meist nicht. Aber versuch es bitte einmal. Ganz locker und geschmeidig… dann wird das auch!"
Er drückt und knetet, versucht, sich an die alten Hinweise zu halten und bemerkt schon, wie aus der anfänglich vorhandenen Scheu bei Susanne gleich ein wohliges Grunzen wird. Na, die wird doch nicht… nein, sie schaut ihn nicht an, sieht eher in die Ferne.
"So, ich glaube, das reicht jetzt. Versuch mal, ein paar Schritte zu gehen. Angeblich zeigt sich dann der Erfolg."
Sie steht auf, geht entlang der Barackenwand vor und zurück, schaut freundlich, eher dankbar zu ihm.
"Prima… was Sie alles können!"
Wieder dieses ‚Sie’, was er nicht will. Jeder andere um ihn herum sagt… ‚Du’. Nur eben nicht Susanne. Er könnte toben, lässt es aber. Sie bemerkt sicher seine Einstellung, geht jedoch nicht darauf ein.
"Ich glaube, wenn ich wieder mal so was habe, komme ich gleich zu Ihnen, Herr Kluge."
Ja, ha, immer noch etwas Salz in die Wunde! Er wendet sich ab, schaut auf die neun Säcke. Echt… neun. Viel!
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