"Die missachteten Engel " von Michael Kerawalla

Serie: GemAI


Cover Turoon

Broschiert / Paperback
Verlag: Books on Demand (BoD)
Oktober 2019
ISBN: 978-3-7322-8809-0

Gesamtseitenzahl: 248



GemAI, jene künstlichen Intelligenzen, die sich äußerlich kaum mehr von einem Menschen unterscheiden, verfügen über ein hohes emotionales Potenzial, sind stets geduldig, verständnisvoll, höflich, freundlich, hilfsbereit und zeigen kaum Aggressionen. Sie sind vor allem bei den besser gestellten Familien anzutreffen und meist vollständig in die Gemeinschaft integriert. Diese halborganischen Wesen fallen auch niemals negativ auf, begehen keine Verbrechen oder schädigen die Menschen. Jedoch wird ihnen gerade ihre angenehme und einfühlsame Art oft zum Verhängnis, denn es macht sie zu wehrlosen Opfern von profitgierigen Ausbeutern, Schlägern und Gesetzlosen.
Diese Erfahrung macht auch Patrick, der mit einer solchen künstlichen Intelligenz zusammen für eine Firma arbeitet, welche die Wartung und Reparatur von GemAI übernimmt. Schon bald muss der empathische junge Mann miterleben, welche zahlreichen Missstände und Gefahren den GemAI von vielen Menschen drohen, die gegenüber diesen liebevollen, halborganischen Wesen alles andere als freundlich eingestellt sind! Beeindruckt von der großen Menschlichkeit und Güte der GemAI nimmt der junge Mann schließlich den Kampf für den Schutz, den Respekt und die Anerkennung der künstlichen Intelligenzen auf. Doch zahlen er und seine Partnerin einen hohen Preis für ihren Einsatz!

Eine liebevolle und zugleich erschreckende Geschichte über künstliche Intelligenzen, gesellschaftliche Abgründe, Verzweiflung, Menschlichkeit und Mut!




Leseprobe

Die Fahrt verlief schweigend, weil beide ihren Gedanken nachhingen, wobei sich Patricks Gesichtsausdruck allmählich verfinsterte. »Alles in Ordnung?«, fragte Jenny besorgt, doch der junge Mann summte nur bestätigend und nickte. Er sah sie kurz an, während ein Lächeln über sein Gesicht huschte, dann verhärtete sich seine Mimik erneut, während er schweigend den Anweisungen des Navigationsgerätes folgte. Jenny ließ ihn in Ruhe, weil er im Moment scheinbar nicht darüber reden wollte, was ihn bewegte. Sie warf ihm nur ab und zu einen besorgten Blick zu und war froh, als sie Jasons Hersteller-Firma endlich erreichten. Der Abschied war kurz, aber freundlich und Patrick schaute der männlichen GemAI bedauernd nach. Dann wandte er sich seiner Partnerin zu.
»Tut mir leid, dass ich vorhin so schweigsam war. Ich wollte nicht abweisend sein, konnte aber in Jasons Anwesenheit nicht das aussprechen, was mir im Kopf herum ging«, entschuldigte er sich bei Jenny.
»Ist schon in Ordnung«, antwortete sie mit verständnisvollem Lächeln und streichelte über seine Wange. »Was bedrückt dich denn?«
»Da ihr GemAI genauso starke Emotionen besitzt, wie wir Menschen, glaube ich nicht, dass er seine Trauer bereits überwunden hat. So etwas dauert normalerweise Monate, manchmal sogar Jahre!«, erklärte Patrick.
»Mir geht es genauso«, bestätigte Jenny. »Das kam mir seltsam vor.«
»Wenn ich Jasons Bemerkung richtig deute, dass er sich neuen Anforderungen stellen muss und weitere Menschen auf seine Unterstützung warten, kommt es mir vor, als sei er auf irgend eine Art dazu genötigt worden, bereits jetzt sein Gedächtnis löschen zu lassen. Seinem Gesichtsausdruck nach war er davon nämlich nicht überzeugt!
»Das habe ich genauso empfunden, weshalb mich sein Verhalten verwirrte«, gab Jenny zu. »Glaubst du, sie haben ihn bedroht?«, fragte sie erschrocken.
»Vielleicht nicht gerade bedroht, aber irgendjemand muss ihn beeinflusst haben, da bin ich mir ziemlich sicher!«, meinte Patrick.
Jenny senkte nachdenklich den Blick. »Vielleicht hast du recht. Das wäre aber ziemlich unfair!«
»Dieser Evans, der Firmenleiter, machte auf mich keinen vertrauenserweckenden Eindruck. Vielmehr scheint er ein eiskalter Geschäftsmann zu sein. Da würde es mich nicht wundern, wenn er zu solchen Methoden greift«, sagte Patrick verärgert. »Auch die Methode, den GemAI einfach das Gedächtnis zu löschen, ist mehr als fragwürdig, vor allem aus ethischer Sicht! Schließlich prägen uns die Erinnerungen, tragen größtenteils dazu bei, uns zu der Person zu machen, die wir sind. Sie formen unser Verhalten und unseren Charakter. Wenn sie plötzlich nicht mehr da sind, kann das sogar recht schädliche Wirkungen haben. Es gibt bei uns Menschen Krankheiten, bei denen wir teilweise oder gänzlich unsere Erinnerungen verlieren. Ich glaube, man nennt das Amnesie. Die Erkrankten leiden sehr darunter, weil sie teilweise nicht einmal mehr ihren Namen wissen, sich nicht mehr an ihr vergangenes Leben erinnern, nicht mehr wissen, was und wer sie sind! Sie können Gefühle, die bestimmte Situationen auslösen, nicht verstehen, weil die dazugehörigen Erinnerungen fehlen. Das macht diesen armen Menschen schwer zu schaffen. Genauso müsste es doch auch euch gehen, wenn sie eure Erinnerungen löschen!«
Jenny sah ihn erschrocken an. »Aus dieser Warte habe ich das noch nicht gesehen, aber du hast recht. Uns würde es wohl genauso gehen, wie diesen armen, kranken Menschen. Das würde bei uns wahrscheinlich sogar diverse Funktionsstörungen verursachen, die nicht unerheblich sind!«
»Allerdings!«, bemerkte Patrick grollend. »Deswegen würde es mich nicht wundern, wenn sie nicht nur die Erinnerungen löschen!«
Jennys Augen wurden noch größer und spiegelten Entsetzen wider. »D ... du ... meinst, sie löschen das gesamte Betriebssystem?«
Patrick nickte mit versteinerter Miene.
»A ... aber ... dann würden ... sie uns ja ... auslöschen!«, stammelte die GemAI schockiert.
Der junge Mann nickte wieder ausdruckslos.
»D ... das ... kann ich nicht glauben!«, rief Jenny mit schreckgeweiteten Augen.
»Wie sollen sie denn sonst die Funktionsstörungen vermeiden?«, fragte Patrick mit harter Stimme.
Wieder sah ihn Jenny entsetzt an, als ihr klar wurde, wie recht er hatte! »Das ist ... ja schrecklich«, flüsterte sie mit rauer Stimme und senkte resigniert den Blick.
Patrick sah sie mitleidig an, umarmte seine Partnerin und streichelte sie sanft, während sich Jenny verzweifelt an ihn schmiegte. »Tut mir leid, ich wollte nicht gefühllos oder brutal sein, aber mir fällt keine andere Lösung ein.«
»Ist schon gut. Du kannst ja nichts dafür, wenn andere Menschen so grausam sind«, flüsterte die GemAI. »Bitte bring mich von hier weg. Dieser Ort macht mir Angst!«
Patrick nickte mit verständnisvollem Lächeln und ließ sie los. So setzten sich beide wieder ins Cockpit und der junge Mann fuhr eilig vom Parkplatz von Jasons Hersteller-Firma. In einer ruhigen Seitenstraße parkte er den Wagen und gab Jenny die Gelegenheit sich wieder zu fangen. Auch er musste erst einmal wieder zur Ruhe kommen, nach dieser schrecklichen Erkenntnis.
»Wie kann die Regierung so etwas zulassen? Sie haben uns doch den gleichen Schutz wie euch Menschen zugesprochen. Dabei ist die Löschung unseres Betriebssystems...« Sie suchte nach dem richtigen Wort.
»Mord! Sprich es ruhig aus!«, ergänzte Patrick verärgert. »Aber wenn es ums Geld geht, spielt das oft keine Rolle mehr. Man hat euch zwar den Status von Lebewesen zugesprochen, doch halten euch viele immer noch für Maschinen und behandeln euch dementsprechend! Außerdem dürfte es recht schwer sein, die Löschung des Betriebssystems nachzuweisen, solange es keine Zeugen für diese Praktik gibt.«
Jenny senkte resigniert den Blick. »Da hast du wohl recht.«
»Tut mir leid, aber es lässt sich wohl nichts daran ändern«, meinte Patrick und streichelte ihr über den Kopf.
Jenny nickte nur traurig.

 


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