Buchmesse 2011
Eine Messe der Superlative
Heute Morgen, am 20. März 2011, hörte ich im Radio, dass die diesjährige Leipziger Buchmesse wohl zum heutigen Abend mit einem neuen Besucherrekord schließen wird. Der Sprecher erzählte, dass er gestern, am Messesamstag, besonders gegen Mittag gefühlt in einer Stunde einen Meter weit durch die Hallen kam. Gut, das war ein wenig übertrieben. Aber im Großen und Ganzen hatte er schon recht.
Am Samstag, dem 19. März 2011, fuhren meine Tochter und ich gegen 8:00 Uhr in Dresden los. Baustellen und erwarteter Besucheransturm versprachen eigentlich eine recht langwierige Fahrt. Doch dies bestätigte sich nicht. Denn schon gegen 9:30 Uhr stand das Auto sicher verwahrt auf dem Parkplatz an der Messe.
Als Fachbesucher hatte ich die notwendigen Tickets schon vorher im Internet bestellt und ausgedruckt, wie immer einen groben Besuchsplan gemacht und darin natürlich für uns wichtige Lesungen vermerkt.
Erster Schock… mein Ticket wurde am Einlass nicht akzeptiert. Die Mitarbeiterin wies mich höflich darauf hin, dass ich nur ein Tagesticket habe. Nun ja, mehr wolle ich ja auch nicht. Einen Tag auf die Messe. Dass das Ticket meiner Tochter funktionierte, durfte ich dann trotz Systemfehler doch auf die Messe. Jedwede offizielle Besucherzahl werde ich nun aber als „nicht richtig“ verwerfen können, denn das System konnte mich nicht zählen.
Draußen kalt, innen warm. Das bedeutete, die Nutzung der Garderobe war Pflicht, wenn wir nicht die Jacken den ganzen Tag über die Messe schleppen wollten. Ein wenig überteuert erscheint mir die diesbezügliche Gebühr von 1 EUR je Jacke, da für unsere beiden auch noch ein gemeinsamer Haken genutzt wurde.
Doch egal. Nun einfach auf die Messe.
Wie immer fand alles in den Hallen 2 bis 5 und wenige Sonderveranstaltungen im CCL, dem Congress Center Leipzig, statt. Genügend Raum für eigentlich drei Messen zur gleichen Zeit: Buchmesse, Antiquariatsmesse und Manga- und Fantasyshow (Comicmesse).
Während Erstere durch viele Fahnen und Plakate sofort ins Auge stach, Letztere nicht zuletzt durch viele ihren Buch- und Comichelden nicht nur nahe seienden, sondern wie diese gekleidete Gäste farbenfroh und futuristisch-mysteriös anmutend gesehen werden konnte, war von der Antiquariatsmesse erst einmal nichts zu sehen. Aber unser Ziel war ja die Buchmesse.
In Halle 2 war für die frühe Morgenstunde noch recht wenig los. Stände konnte man erreichen, Verlage wiedererkennen und auch mit dem einen oder anderen Standpersonal ins Gespräch kommen. Aber dazu blieb uns nur eine halbe Stunde, denn unser Lesungsplan rief uns bereits 10:30 Uhr nach Halle 4 ins sogenannte Literaturcafé, wo Dagobert Schwarz sein Buch über das Leben mit seinem Hund vorstellen sollte. Ein Wunsch meiner Tochter, die sich, wie wohl irgendwann jeder Mensch einmal, einen Hund wünscht.
Weiß eingepackte Stühle, noch etwas Platz und Getränke zu horrenden preisen erwarteten uns auf den ersten Blick. Aber Buchmesse ist nur einmal im Jahr. Heiße Schokolade und Latte macchiato zu je 3,30 EUR vertrugen wir aber weitaus besser, als das Buch des mir völlig unbekannten Autors. Leider. Ich sage mal… Da saß ein Mann vor dem Mikrofon, der in nicht mehr frivol, sondern meiner Ansicht nach pervers anmutender Weise, hinter dem Buchtitel „Halte endlich deine Schnauze! Aus meinem Leben mit einem Hund“, all seine wohl nie im Leben ausgelebten Fantasien während des Entscheidungsprozesses, sich eine Frau oder einen Hund anzuschaffen und die Vorteile beider Seiten aufzuzeigen, versuchte, an die Öffentlichkeit zu bringen. Lohn dieser Entgleisung war auch, dass während der Lesung alle anfangs Anwesenden verschwanden und auch die auf deren freiwerdenden Plätze Springenden sich nach wenigen Minuten und fraglosen Blicken auf den Redner und die eigene Begleitung schnell wieder das Weite suchten. Dagegen half auch nicht die weitschweifende einführende Rede, dass dieser Herr dagobert nun eben nicht der wäre, der damals Kaufhäuser erpresste. Das brachte nicht einmal einen Lacher, dafür aber die ersten Gehenden, bevor das erste Wort aus dem Buch gelesen war. Na ja, muss man vielleicht einmal gehört und erlebt haben, um Reich-Ranicki zumindest manchmal zu verstehen. Aber zum Glück wartete noch eine ganze Messe auf uns.
Einmal in Halle 4, besuchten wir nun Stand für Stand, bemerkten neben vielen spannenden und interessanten Veröffentlichungen, dass sich die Gänge mehr und mehr füllten und ergatterten in diesem Zusammenhang gleich einen Blick auf die neue Guttenberg-Biografie, die, noch mit einem Sicherungsband versehen, bei DROEMER KNAUR am Stand zu finden war. Beim Vorbeigehen, und das ist jetzt kein Witz, meinte das Rentnerpaar vor uns ‚Sieh mal, da ist sie schon. Wo hat er die wohl wieder abgeschrieben?’
Über die einzelnen Tuben gelangten wir bald in Halle 5 und später in Halle drei. Immer wieder begegneten uns sagenhafte Gestalten, die sich vom Publikum gern fotografieren ließen und sich ganz in ihrem Element, ihrer Welt fühlten. Spannend und… gruselig zuweilen. Noch ist mir jener Herr in Erinnerung, der, mit einem dicken Kopfverband und vielen aufgemalten Narben am Kopf sowie auf dem weißen bodenlangen Kittel, einen sehr malträtierten Bürodrehstuhl hinter sich herzog, der ebenfalls, wie der Mann selbst, nur aus Flicken zu bestehen schien.
Oh, da fiel es mir doch auch wieder ein, dass die schmerzenden Dinger da unten an den Beinen meine Füße sind und dass alle bisher gesehenen Sitzplätze mehr als nur überbelegt waren. Hunger machte sich breit und ein paar Hörbuch-CD-Proben, Buchzeichen, Buttons, viele interessante Eindrücke und das eine oder andere Bonbon oder Traubenzuckerstück bei Klett, Cornelsen, Arena, Carlsen, Karl-May-Verlag Bamberg, Heyne, Bertelsmann mit allen Random-House-Verlagen und so weiter konnten längst nicht mehr darüber hinwegtäuschen… wir mussten uns mal ausruhen und auch etwas essen.
Bis eben doch eigentlich kein Problem. Die Stände, ob nun von der Messeverwaltung ausgerichtet, die verschiedenen Restaurants oder auch Thai und Hotdog, schienen leer. Aber jetzt nicht mehr.
Entweder, der MDR-Moderator von heute Morgen, kam wohl just zu jener Zeit auf die Messe, oder wir übersahen die Menschenmassen bisher. Drei Restaurants waren schon zu… man konnte sich oben anstellen und brav warten, bis Gäste herauskamen. Erinnerte an die alte Fisch-Gaststätte am Pirnaischen Platz in Dresden zu DDR-Zeiten. Nur dass man da meist kürzer warten musste, als gestern auf der Leipziger Buchmesse.
Flucht in die Glashalle. Da waren doch auch Stände.
Oh, keine gute Idee. Die Ereignisse um die letzte Love-Parade sind uns allen noch im Kopf. Nun schoben sich meine Tochter und ich durch eine der Tuben, in der man nur noch mit dem Strom der Menschen mitgezogen wurde. Natürlich ist in Leipzig alles ganz anders gebaut, als in Duisburg. Hier haben wir auch kein stillgelegtes und nur für die Veranstaltung wieder geöffnetes Gelände, sondern eine auf große Besucherströme ausgelegte Messeanlage. Aber solche Menschenmassen? Panik machte sich nicht breit. Doch der ‚Was-Wäre-Wenn-Faktor’ blieb im Kopf.
Natürlich hatten wir in der Glashalle erst einmal kein Glück. Doch weiter vorn, beim Übergang zum CCL, sah es ruhiger aus. Bis wir uns durch die Massen gedrängt, die Rolltreppen genutzt und da angekommen waren, vermutete ich schon eine ähnliche Invasion. Aber weit gefehlt. Der Hotdog-Stand blieb frei. Wir waren die Zweiten und bekamen ein kleines Brötchen mit Wiener sowie bausatzähnlich die Aufforderung, uns alles Nötige links am Stand selbst darauf zu werfen, für nur 3 EUR je Stück. Der halbe Liter Cola kostete gar 3,30 EUR. Trotzdem zauberte uns dieser nun problemlose Gang zum Futter ein Lächeln aufs Gesicht, was noch verstärkt wurde, als wir direkt hinter dem Stand mit Blick auf den Haupteingang zur Messe und den da befindlichen künstlichen Teich, eine freie Stuhlreihe entdeckten. Na, die Füße konnten sich wenigstens jetzt erholen. Zumal wir wussten, dass wir nach dem Essen noch einmal sitzen durften.
Wie schnell die Zeit vergeht, bemerkt man wohl nur, wenn man sich mal wirklich von Handy und Uhr trennt, sie einfach und erfolgreich ignoriert. So, wie bei uns geschehen.
Nun aber mussten wir eilen, denn 13:30 Uhr stand Lutz Rocktäschels Lesung im Mehrzweckbereich 1 des CCL an.
Dass die Buchmesse sich über zu wenige Veranstaltungen auf der Messe und in Leipzig, gar bis nach Markkleeberg nicht beklagen muss, zeigt, dass das Messeprogramm ‚Leipzig liest’ für die vier Publikumsmessetage 432 dicht beschriebene Seiten umfasst. Allein für unseren Messesamstag waren es 77 Seiten. Schade nur, wenn einige der Veranstaltungsorte selbst auf dem zu dieser Zeit mehr als nur gut besuchten Messegelände abseits liegen. Das CCL scheint bei den Besuchern eher der Ort für Fachbesucher, Verleger, VIPs zu sein. Somit verirrten sich leider zu wenige Zuhörer zur Lesung rund um die ‚Vuvuzela’ von Rocktäschel.
Lutz Rocktäschel während der Lesung am 19.3.2011
Wie vom Verlag Pro Business Berlin gewohnt, wurde der Autor angekündigt und mit interessanten Fragen gelöchert. Da es sich bei Rocktäschels Buch um Science-Fiction handelt, sind Erklärungen natürlich notwendig. Der Autor stand gerne Rede und Antwort und führte das Publikum in seine ganz eigene Welt rund um den das Buch beherrschenden Tinnitus, den man gar in Geräuschen miterleben durfte. Bewunderungswürdig, aus dieser Diagnose, diesem täglichen Erleben von immerwährendem Lärm, nicht ein Klagelied, sondern einen mehr als spannenden Roman zu machen, den Rocktäschel zudem als ‚Akustik-Thriller’ auf die richtige Ebene stellt. Eine interessante und bewegende halbe Stunde am Rande des gewaltigen Messegeschehens spendete so bei Weitem nicht nur Kraft für weitere Besuchsstunden, sondern machte die Zuhörer neugierig auf Autor und Buch.
Unser Messetag hatte weitere wichtige Stationen, die den Besuch von vier Lesungen ab 16:00 Uhr auf der Fantasy-Insel vorsahen. Vorher wollten wir unbedingt noch Halle 2, die wir am Morgen nur kurz besuchen konnten, erobern, was wirklich einem Feldzug gleichkam. Denn darin sammelten sich scheinbar alle Messebesucher. Nicht nur, weil sie linkerhand die erste Halle der Messe ist, sonder auch, weil Comic, Cartoon, Rollenspiel und Fantasy eben dort im hinteren Teil zuhause sind und waren. Trotzdem kämpften wir wacker, sondierten das Gebiet um die später zu besuchende Fantasy-Insel, besuchten Werkzeugs, den Verkaufs-Stand der Random-House-Gruppe, waren beim wohl allen DDR-Kindern bekannten Mosaik und besorgten für meinen Sohn in der Messe-Kinderbuchhandlung ein schönes Buch, mit dem er seine Leselust und seine Fußballleidenschaft gut verbunden sieht. Und doch rannte die Zeit wie verrückt. Noch eine Schlacht in der großen Messebuchhandlung in Halle 4, wo Bücher für meine Tochter, meine Frau und eines für mich gekauft werden mussten (denn von der Leipziger Buchmesse bringt man sich ein Buch mit!), und dabei die Erkenntnis, dass die am Eingang der Buchhandlung gegebenen Hinweise für alphabetische Ordnung nach Verlagen nur für gebundene und Hartcoverausgaben gelten, man also für ein Paperback mehr oder weniger die ganze Buchhandlung durchforsten muss, ließen unsere Zeit schwinden. Natürlich könnte man genau diese Bücher in jeder Buchhandlung kaufen. Zumal die deutsche Buchpreisbindung eben eine verbilligte Abgabe zum Messesonderpreis verbietet, aber es ist eben ein anderes Gefühl, von der Messe ein Buch mitzubringen.
Kurz vor 16:00 Uhr trafen wir Lutz Rocktäschel und seinen Sohn Tim im Durchgang zwischen Halle 2 und 4 und gingen nun gemeinsam zu den Lesungen auf der Fantasy-Insel.
Gelesen habe ich von Wolfgang Hohlbein noch nichts. Dass er ein bekannter Fantasy-Autor ist, bleibt unbestritten. Auf der Messe stellte er sein neues Buch ‚Infinity – der Turm’ vor. Viele Jahre trug er diese Geschichte mit sich herum. Ehe er sich wagte sie nicht nur als Fragment im Schreibtisch liegen zu haben, sondern endlich ganz als Buch aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Er las geschlagene 25 Minuten flüssig und hörenswert vor einer unermüdlichen, aber auch sehr großen Schar von Zuhörern. Erst einmal mussten wir dabei stehen. Nach einiger Anfangsspannung bekamen wir aber doch nach und nach Sitzplätze und konnten so noch besser und ohne lästiges Hin- und Hertreten auf müden Füßen lauschen. Ein spannendes und interessantes Buch. Irgendwann werden wir auch einmal eines von ihm leihen, kaufen… auf jeden Fall lesen.
Wolfgang Hohlbein las am 19.3.2011 aus Infinity-Der Turm'
Nur eine halbe Stunde später gab es ein Wiedersehen mit einer befreundeten Autorin.
Aileen P. Roberts, im bürgerlichen Leben Claudia Lössl, las aus Band zwei ihres Goldmann-Buches ‚Thondras Kinder’ und stellte einige Passagen aus ihrer ebenso bei Goldmann im Juni 2011 erscheinenden Trilogie ‚Weltennebel’ vor. Gewohnt professionell, fast ein wenig zu getragen las sie vor einem etwas kleineren Kreis und schuf viel Spannung auf ihre neue Buchreihe.
Aileen P. Roberts während der Lesung auf der Leseinsel Fantasy
Unterstützt von ihrer Freundin, Autorin Ann-Kathrin Karschnick, gab sie später Autogramme und verkaufte ihre Bücher gleich neben der Leseinsel Fantasy.
Einmal gute Plätze mit Kissen und Rückenlehne ergattert, wollten wir diese in der verbleibenden halben Stunde bis zum Auftritt von Sabine Ebert nicht aufgeben und hörten Christoph Hardebusch zu, der ganz gegen das Protokoll eine gänzlich andere als angeschlagene Geschichte las, die keine wirkliche Resonanz bei den immer weniger werdenden Zuhörern bewirkte. Ich hoffe, er bezieht die Füllung der Plätze auf der Leseinsel gegen Ende seines Vortrages nicht auf sich. Denn da kamen all jene, die sich auf Sabine Ebert freuten.
Höhepunkt des Tages und gleichzeitig Abschluss war nun also die Präsentation der Hebamme.
Entgegen ihrer sonstigen Art, verzichtete Ebert auf ein mittelalterliches Outfit. Nicht, dass sie das wollte. Nur kam sie eben von vier über den Tag verteilten anderen Lesungen in der Leipziger Innenstadt und hatte zudem die Schließung der Messehallen im Rücken, wollte aber für uns, ihre Leser und Zuhörer, da sein und die verbliebene Zeit nicht in der Maske verbringen.
Sabine Ebert - unser Höhepunkt der Lesungen am 19.3.2011
Die Lesung war ein Erlebnis. Professionell geht die gelernte und aktive Journalistin mit ihrem Publikum um. Informationen zu ihren Recherchen, ihren eigenen Erkenntnissen und Gefühlen dabei und ihre Studien in Mittelaltergruppen, bei Schwertkämpfern, in alten Kirchen- und Stadtarchiven bereicherten die wenigen Seiten aus ihrem vierten Band rund um Marthe, ihre Hebamme. Im Herbst soll der fünfte und letzte Band der Reihe herauskommen. Noch sind nicht alle Zeilen dazu geschrieben, meint sie. Aber sie hält den Termin. Und eine weitere Information hatte sie für uns: Ihr nächstes Projekt, von dem noch keine einzige Zeile existiert, wird sich um die Völkerschlacht in Leipzig drehen und 2013 mit einem ersten Roman erscheinen. Auf jeden Fall spannend.
In der Messebuchhandlung hatte ich mir den ersten band ihrer Hebammengeschichte gekauft und bekam nun eine persönliche Widmung der Autorin ins Buch sowie eine Autogrammkarte. Ruhig, immer noch professionell und doch freundlich handelte sie auch diese letzte Station ihres sicher nicht minder anstrengenden Leipzigtages ab.
Zeit für eine kleine interne und mitnichten böse gemeinte Wertung der von uns besuchten Lesungen nach unserem Werteurteil (von 'sehr gut' bis 'kann man sich sparen'):
* Sabine Ebert
* Wolfgang Hohlbein
* Lutz Rocktäschel
* Aileen P. Roberts
* nix
* Christoph Hardebusch
* nix
* Dagobert Schwarz
Der Tag ging zu Ende. Die Gänge waren leer. Endlich konnte man noch einmal genießen, was diese Messe doch eigentlich für eine eigentümliche, zweckdienliche und doch schöne Architektur besitzt. Trotzdem, das besprach ich auch mit Lutz Rocktäschel am Telefon auf der Rückfahrt, trotzdem muss sich die Messeleitung etwas einfallen lassen. Die Menschenströme sollten anders gelenkt werden, die Räume für angesagte Lesungen vergrößert, die für kleinere Runden mehr ins eigentliche Geschehen integriert werden. Und die Auswahl der Texte sollte nicht einer Zensur, doch aber einer wirklichen Sinnfälligkeit unterworfen werden. Dazu sollte die Preispolitik überdacht werden. Wenn lt. Anschlagtafeln und Werbung ein vollwertiges Mittagessen im Messerestaurant schon ab 7,00 EUR zu bekommen ist, sind die Getränkepreise und der für ein Hotdog einfach zu hoch. Aber solange solche Leute wie wir noch froh sind, überhaupt etwas zu bekommen…
Mitgenommen von der Messe habe ich, dass die jährlich im Spätherbst zu hörenden Aufschreie der Buchhändler wegen eines zu geringen Absatzes am Deutschen Buchmarkt sicher nicht anders zu deuten sind, wie die künstlich nach oben getriebenen Spritpreise an den Tankstellen. Verunsicherung schüren und Gewinne machen. Die Menschen wollen lesen. Vielleicht fehlt ihnen dazu wirklich hin und wieder die nötige Zeit. Oder aber die großen Verlage sollten sich überlegen, ob sie mit ihrer Politik, ihre Bücher durch Millionen Ausgaben für Werbung nicht eher dem Leser vermiesen, als dass sie einen wirklichen und vor allem dauerhaften Erfolg davon haben. Auch muss die Verdrängungspolitik gegen junge Autoren und kleine Verlage überdacht werden. Die großen Würfe, Erfolge aus dem Boden zu stampfen, wird es in Zeiten von Internet und Globalisierung kaum mehr geben. Jeder kann für sich überall werben. Gerade im Internet und auch auf der Buchmesse… sogar ohne Stand! Meine Tochter und ich haben gut 200 Werbekarten für meine eigenen Bücher auf der Messe verteilt. Natürlich nur an interessierte Besucher, die meine informativ und bunt bedruckte Tasche sahen und uns daraufhin ansprachen. (Das ist die offizielle Version. Inoffiziell haben wir uns einfach zwischen 15:30 und 15:45 Uhr an eine der Tuben von Halle 4 zur Mittelhalle gestellt und innovativ jedem Kommenden in den beiden möglichen Gangrichtungen von beiden Seiten eine Karte in die Hand gedrückt. Die meisten Empfänger haben sich bedankt und gelächelt…) Interesse ist da. Leser existieren. Aber wie im Blumenbeet… zu viel Wasser oder zu viel Werbung… egal. Beides ist tödlich. Für Pflanzen… und für Bücher.
Ich freue mich auf die nächste Buchmesse in Leipzig. Meine Tochter ebenso. Vielleicht hat sie dann auch schon eine ihrer eigenen Geschichten veröffentlicht? Dann können wir gemeinsam die nur für Fachbesucher, Verleger und Händler abgesperrten Café- und Informationsbereiche in allen Hallen nutzen.
Der Lesemarkt wird täglich bunter. Leipzig hat es gezeigt!
PS: Die Bildqualität bitte ich zu entschuldigen. Ich hatte meinen Fotoapparat vergessen und musste mit dem Handy fotografieren. Wegen der vielen Besucher und damit verbundenen Entfernungen zum Zielobjekt kam dann nur das hier zu sehende heraus.
(C) by Stefan Jahnke