"Ein Hund für Jessi" von Sigrun Holstein




Kinderbuch
Softcover
115 Seiten
2007
ISBN: 978-3937593111



Jessi lebt mit ihren Eltern in der Stadt. Ihr größter Wunsch wäre, ein Haustier zu haben, doch leider ist das in der Wohnung der Familie nicht erlaubt. Weder vom Vermieter, noch vom Hausmeister. Doch eines Tages läuft Jessi ein streunender Hund nach, der sie vor einem fremden Artgenossen beschützt und um den sie sich zunächst heimlich kümmert. Ob Jessi den Streuner behalten darf? Zeitungsberichte über einen Mann, der sein Unwesen in der näheren Umgebung treibt, werfen ein neues Bild auf die Situation.



Leseprobe

[...]

Jessi ließ die Haustür wieder zufallen und sah sich nach dem streunenden Hund um. Sie entdeckte ihn hinter einem Strauch neben dem Wohngebäude. Er lugte vorsichtig zwischen den Zweigen hindurch.
Das Mädchen hockte sich vor ihn hin und streichelte ihn. „Du bist mir ja einer! Verfolgst mich durch die halbe Stadt, nur damit ich dich nochmal streichle, was?“
Der Hund antwortete mit einem leisen Winseln und sprang auf.
„Hast du Lust, mit mir ein wenig in den Park zu gehen?“
Es schien, als ob der Hund Jessi verstanden hätte und sprang aufgeregt um sie herum.
„Na, dann komm“! Sie kraulte ihn noch einmal hinter den Ohren und lief dann mit ihm in Richtung Park davon. Wem dieses Tier wohl gehörte? Ohne Halsband und Steuermarke war es wohl sehr schwer, sein Herrchen ausfindig zu machen. Was wäre, wenn der Besitzer gar nicht gefunden werden könnte? Durfte man einen solchen Hund dann behalten?
Es wäre so schön, wenn sie diesen Streuner nur behalten könnte. Solch einen Hund hätte Jessi wirklich gerne. Wenn nur der Vermieter nicht wäre und vor allem der Hausmeister, der penibel darauf achtete, damit ja niemand gegen die Hausordnung verstieß. Im Park angekommen, lief Jessi zur Hundewiese. Hier hatten alle Hundehalter Gelegenheit, sich mit ihren Vierbeinern zu tummeln und zu spielen. Das Mädchen fand auch einen kleinen Ast, den sie ihrem neuen Freund unter die Schnauze hielt und dann fortwarf. Der Hund bellte kurz und sprang dem Stöckchen hinterher, um es gleich darauf wieder vor den Füßen des Mädchens abzulegen.
„Du bist aber ein schlaues Kerlchen! Wie heißt du eigentlich?“ Jessi überlegte eine Weile. Vor einiger Zeit hatte sie so einen alten Film gesehen. Darin kam auch ein Streuner vor, aber ihr fiel der Name nicht mehr ein. Doch dann hatte sie eine Idee. „Racker, das ist ein Name, der zu dir passt. Immerhin hast du es faustdick hinter den Ohren. Was hältst du von dem Namen? Racker!“
Dieser Name schien dem Border-Collie zu gefallen, denn er bellte kurz auf und sprang an Jessi hoch, um ihr mit der Zunge das Gesicht abzulecken.
„He, langsam du Schelm! Racker gefällt dir also.“ Sie nahm das Stöckchen vom Boden auf und warf es nochmals fort. Der Hund spurtete augenblicklich los, um es wieder zurückzubringen.
Die beiden hatten eine Menge Spaß zusammen. Als Jessi auf die Uhr sah, war es höchste Zeit, nach Hause zu gehen. Ihre Mutter warete bestimmt schon mit dem Mittagessen auf sie. Das Mädchen rief nach Racker und er kam sofort angelaufen und setzte sich Schwanz wedelnd vor sie hin.
„Racker, ich muss jetzt nach Hause und kann dich leider nicht mitnehmen. Unser Vermieter mag keine Tiere und vor unserem Hausmeister musst du dich sowieso in Acht nehmen. Aber wenn du vor dem Haus auf mich waren möchtest, dann komme ich nach dem Essen wieder runter.“
Rakcer winselte leise, und Jessi glaubte, er hätte genau verstanden. Sie rannte los, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren und der Hund folgte ihr in einigem Abstand.
Kurz bevor das Mädchen den Perk verließ, begegnete es einem jungen Mann mit langen blonden Haaren. Er trug eine schwarze Lederjacke und eine dazu passende Hose. An seinen Handgelenken klimperten eine Menge goldender Armkettchen und auch um den Hals hatte er einigen Goldschmuck hängen. An seiner Seite lief eine große schwarze Dogge. Als Jessi an den beiden vorbeilief, fing das riesige Tier an, wie verrückt zu bellen. Kurz darauf riss es sich von seinem Herrchen los und rannte wie besessen hinter dem Mädchen her, während der Mann versuchte, seinen Hund lauthals fluchend zurückzurufen. Als Jessi sich umdrehte, sah sie ihn bereits unmittelbar hinter sich. Sie schrie kreischend auf, stolperte und fiel hin. Die Dogge war sofort über ihr und sie starrte in seine offene Schnauze. Das Mädchen glaubte, sein letztes Stündchen habe geschlagen.
Da sah Jessi aus ihren Augenwinkeln heraus einen Schatten auf sich zukommen. Der Hundebesitzer versuhte immer noch lauthals sein Tier zur Vernunft zu bringen, was allem Anschein nach nicht viel Erfolg hatte. Die Sekunden kamen Jessi wie Stunden vo. Ihre Gedanken schienen wie eingefroren. Plötzlich ließ der Hund von ihr ab und ein wildes Knurren und Keifen setzte ein. Das Mädchen rappelte sich langsam auf und sah, wie sich Racker auf die schwarze Dogge gestürzt hatte. Der Mann mit den langen blonden Haaren war inzwischen herbeigeeilt und versuchte, sein Tier wieder unter Kontrolle zu bringen. Es folgte ein lautes Jaulen und der riesige Hund ließ von dem kleineren Racker ab. Jessi traute ihren Augen nicht. Der Besitzer der Dogge hatte einen Elektroschocker in der Hand, mit dem er ihr einen Schlag verpasste.
„Ich glaub es ja nicht!“ entfuhr es dem Mädchen, als es sich wieder einigermaßen gefasst hatte. Jessi war so entsetzt über die Art und Weise, wie dieser Mann mit seinem Hund umging, dass sie den eben erlittenen Schock fast vergaß.
„Sind Sie denn wahnsinnig?“, ging sie nun auf den rücksichtslosen Hundehalter los.
„Tut mir leid, Mädchen, ich war einen Moment unaufmerksam. Ist dir etwas passiert?“
Jessi sah an sich hinab. Die Hose hatte ein Loch und am Knie und am Ellenbogen hatte sie sich aufgeschürft. Ihr selbst war nicht viel geschehen, aber Racker saß winselnd im Graß und zeigte seine rechte Pfote. Sie stürmte sofort zu ihm hin. Er hatte eine leichtere Bissverletzung und die Wunde blutete etwas. „Mir geht es gut, aber der Hund ist verletzt.“
Der Mann band die Dogge an einen nahe stehenden Baum und kam herbei. Es war ihm sichtlich unangenehm, was sein Hund da angerichtet hatte. „Es ist scheinbar nicht sehr schlimm, aber du musst seine Wunde totzdem desinfizieren und verbinden“, riet er Jessi.
„Das ist aber gar nicht mein Hund“, wandte sie ein. „Er ist ein Streuner und läuft mir schon den ganzen Tag hinterher.“
„Aber trotzdem muss seine Verletzung behandelt werden. Hier, nimm das und kaufe für ihn, was du brauchst!“ Der Hundehalter streckte Jessi einen 50-Euroschein entgegen.
Das Mädchen sah zuerst das Geld an, dann den Mann. Schließlich sagte es: „Sie machen sich das ganz schön einfach. Zuerst haben sie ihren Hund nicht im Griff, dann wird mit einem Elektroschocker auf ihn losgegeangen und jetzt geben sie mir einfach so 50 Euro, damit ich einen Streuner verarzte. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das annehmen soll.“
„Es tut mir wirklich leid“, entgegnete der Mann hektisch und drängte den Geldschein Jessi buchstäblich auf. „Ich möchte einfach deswegen keine Schwierigkeiten. Mein Hund spinnt gerade ein wenig aber ich will ihn deswegen nicht verlieren, verstehst du?“
Jessi nahm das Geld zögernd entgegen. „Ich tue es nur für Racker, auch wenn ich selbst dadurch enorme Probleme bekommen werde, denn ich dar eigentlich keinen Hund in unserer Wohnung haben.“
„Du machst das schon“, erwiderte der Mann hektisch, ging zu seiner Dogge hinüber und verschwand eilig aus Jessis Blickfeld.

[...]


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