„Geheimbibliothek“ von Stefan Jahnke




Historischer Roman
Paperback,
308 Seiten
Books on Demand, Norderstedt
Januar 2011
ISBN 978-3-8423-4828-8


London 1737. Heinrich von Bünau, Vertrauter des deutschen Kaisers, Staatsmann und Büchernarr, entdeckt in einer Buchhandlung nahe der Themse einen Buchdeckel mit vor Jahrhunderten zusammengefügten edlen handschriftlichen Pergamenten. Die Sprache der Sammlung ist ihm unbekannt, erinnert ihn jedoch an Schriftzeichen in einer kleinen Schifferkapelle nahe dem Hafen. Sein Anspruch, jedes Buch in seinem Besitz zu lesen, führt ihn zu einem Rabbi, der die Zeichen als einen längst ausgestorbenen Dialekt des Aramäischen erkennt. Von Bünau hofft, die im alten päpstlichen Palast in Avignon noch vorhandene Bibliothek für eine Übersetzung zu nutzen, stößt dabei auf die als ‚Teufelsbibel' verschriene Schmähschrift eines Spaniers und will nach einem unfreiwilligen Besuch der Pyrenäenhalbinsel ins Heilige Land. Bünaus Dienstherr jedoch hat andere Pläne, schickt ihn nach Sachsen, wo er seine Sammlung vervollständigt, Johann Joachim Winckelmann kennenlernt, Christiane von Arnim heiratet und Schloss Nöthnitz als erste Leihbibliothek im Lande der Wettiner einrichtet. Natürlich hält von Bünau immer noch an seinen Plänen fest. Wird der Gründer der Sächsischen Landesbibliothek jemals die Küste des heutigen Palästinas erreichen und das Rätsel um die ‚wahren Teufelsbibeln von Dikrin' lösen können?




Leseprobe

Kapitel 1 - Nur ein Buch (Auszug)

"Nun wartet doch bitte einmal, werter Herr… ich habe sicher auch noch etwas, was Euch begeistert. Kommt, seht in den hinteren Raum. Bitte… ich weiß, was Ihr sucht!"
Ich kenne diese schleimigen Händler. Man kann ihnen nicht über den Weg trauen. Und dabei betrügen sie einen an jeder nur denkbaren Stelle. Neulich erst kaufte ich von einem ein Buch, den mir dieser hier empfohlen hatte, das nun wirklich schon viele Jahre auf dem Buckel, wohl eher auf dem Rücken haben sollte. Eines der Ersten, was noch in Gutenbergs Werkstätten höchstpersönlich vom Meister und Erfinder des Druckes begutachtet und vervollständigt worden sein sollte. Und was stellte ich dann fest, als ich es einem Freund vorlegte? Na ja, es war eben nur ein Buch.
Wie die das hinbekommen? Kaufen die extra billigen Tand, um ihn dann teuer zu verkaufen? Dann müssten sich ja viele neben ihnen auch auf dieses Gewerbe gelegt haben und fertigen gerade solche Fälschungen an, plumpe noch dazu.
Und ich… falle immer wieder darauf herein.
Nein, in diesem Fall konnte ich nicht anders. Ich musste zu dem Händler, ihm sagen, was ich von ihm und seinen Freunden halte. Und dabei lachte er mich auch noch zu Beginn aus. Ich hätte ja den Verstand verloren. Niemand in seiner guten Gegend würde mit Fälschungen… na ja, das Übliche.
Ich schaue hinüber zum Tower. Ein einzigartiges Gebäude hier mitten in der königlichen Stadt. Niemand könnte vermuten, dass man sich da auch noch auf… na ja… aber die guten Buchhändler sollen in Paris sitzen. Da kann man an der Seine manche Entdeckung machen. Und wenn ich mich eile, werde ich noch ein paar Tage dort verbringen, ehe ich nach Aachen muss, um von da zum Kayser nach Berlin… ob er da auf mich wartet? Seinen Reichsgrafen wird er schon in den wenigen Wochen nicht gleich vergessen haben. Aber ansonsten… meine Passion verlacht er, stellt sich lieber solche große Schalen hin, die zwar aus purem Gold, aber eben plump sind. Was liebe ich nicht eher die feinen Preziosen, die ich in Dresden sehen durfte… und all dies ist doch kein Vergleich zu einem Buch. Das kann man in der Hand halten, es sich beschauen und, zumindest wenn man der darin verwandten Sprache mächtig ist, man kann es auch lesen, Wissen daraus schöpfen und es immer wieder lesen. Selbst, wenn der Kopf es nicht mehr alles fassen kann, was darin steht.
Meine Sammlung wird vielleicht einmal größer. Viele Bücher eben…
Aufpassen muss ich. Die Weiber rennen mir nach, weil ich ein Reichsgraf bin. Sie sehen den Titel und meinen, dass ich eine gute Partie sei. Da haben die Väter oft noch einen klareren Blick, erkennen, dass ich doch ein Nichts… nun ja, das vielleicht nicht. Aber trotzdem. Die Weiber sind gut. Wohl doch nicht die Ehe. Und solange ich nicht eine gute Mitgift so einer Familie benötige, kann ich auch gut und gerne auf mich allein aufpassen. Bedeutet ja nicht, dass ich nicht schon einmal eines der Weiber probiere. Wer kauft schon die Katze im Sack? Hahaha!
"Kommt, bitte. Ich habe etwas, was Euch wirklich besänftigen wird!"
Der kann es nicht lassen. Ich hasse das.
Letztens, als ich im Auftrage der kayserlichen Hoheit nach Damaskus reiste, da hatte doch wirklich so ein Bursche die Stirn, der da mit kleinen Krügen handelte, einen Käufer vor aller Augen zu schlagen, weil der ihm nichts für einen umgeworfenen Krug geben wollte. Na, wo leben wir denn?
Wieder sehe ich über den Fluss. Die kleinen Boote, die einen hinüberbringen können, die sollte man nur mit eigener Münze bezahlen. Zu häufig wurden schon Reisende in den Tower gesteckt, weil sie angeblich nicht gut bei Kasse wären. Und ich traue den Engländern doch alles zu. So, wie sie mit ihren Herrschern oder deren Weibern umgehen… na ja.
"Hier, schaut bitte. Das ist doch…"
Jetzt hält er mir ein Buch unter die Nase. Es sieht alt aus. Na ja. Das Ding von seinem Freund war ähnlich. Ich würde gar sagen, die Prägung unterschied sich nicht wesentlich. Aber eben… dass im Innern nichts mehr war, wie es hätte sein sollen.
Ich habe nun einmal einen Drang zu den alten Werken.
Nun befühle ich das Leder.
Hart. Es muss hart sein. Wer nahm sich schon die Zeit und fettete die Rücken, damit alles weich und geschmeidig bliebe über die Jahre? Ja, selbst da wollte mich mal einer hereinlegen. Und auch wenn ich noch ganz andere Helfer nutze, die mir zumindest annähernd sagen können, ob etwas wirklich alt ist, so habe ich hier niemanden dabei. Klar, denn ich wollte doch nur diesem Hochstapler von seinem Freund erzählen.
"Blättert, bitte! Alles gut. Alles alt!"
Ich tue es.
Das ist Pergament. Wer hat denn…? Nur wenige Seiten hat dieses Buch. Und doch ist es schwer. Wie eines, aus dem besten Sud geschöpftes Papier in sich tragend… mein Gott… das ist wirklich und wahrhaftig Pergament. Wer hat denn jemals…? Gab es das denn wirklich, dass man Pergamente zusammenband?
Ich überlege.
Natürlich. Der Band, der Einband des anderen war ähnlich. Und weil vielleicht über die Jahre, gar Jahrhunderte die Innereien durch einen Zufall verloren gingen, da dachte man sich irgendwo, man steckt Anderes hinein… Papier.
Frevel…
Langsam gleiten meine Finger über die Schrift. Irgendetwas ist hier anders. Ich kenne Pergamente. Natürlich. Früher, bevor der Gutenberg nun auch noch das Papierbedrucken möglich machte, da hatte man beides. Papier, worin die Tinte leicht auslief. Und das Pergament aus den Tierhäuten.
Tiere…
Noch einmal sehe ich mir alles an. Längst sitze ich in dem kleinen Raum, der sich hinter dem Laden befindet und in dem nur ein paar Kerzen meinen Augen helfen, etwas zu erkennen.
Oh, Du Lumich! Wenn Du mich jetzt mit Licht und ein wenig Hokuspokus veralbern willst, dann kann ich Dir auch ganz anderes erzählen… die Polizei ist nicht weit und in England macht man schon einmal einem Betrüger das Leben leichter, indem man ihn der Bürde des Gewichtes seines Kopfes beraubt.
"Was soll das sein?"
Verdattert schaut der Mann zu mir.
"Es ist echt. Das andere… nun ja, eigentlich war es auch echt. Mein Freund hatte…"
Ich hebe die Hand, verlange nach mehr Licht. Gern würde ich hinausgehen. Aber ich sehe auch ein, dass der Händler mich nicht mit einem unbezahlten Buch verschwinden lässt. Dann müsste ich ihm erst Silber geben und er hat keine Veranlassung mehr, mir dieses zurückzugeben, wenn ich mich doch gegen das Stück entscheide.
Aber Kerzen bringt er. Viele Kerzen. Da kann ich besser sehen. Meine Augen sind gut. In der Dunkelheit… nun, ich bin keine Katze.


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Geheimbibliothek: Heinrich von Bünau und die Teufelsbibeln von Dikrin