„Felssturz“ von Stefan Jahnke
Historischer Roman
Paperback,
308 Seiten
Books on Demand, Norderstedt
August 2009
ISBN 978-3-8391-2380-5
Sachsen Mitte des 15. Jahrhunderts. Endlich ist die Grenze zwischen Böhmen und dem Kurland festgeschrieben. Einzelne Grafen und Ritter, die dadurch ihr Land verloren, wollen davon jedoch nichts wissen.Hans von der Oelsnitz erbt von seinem Vater, dem Vogt von Königstein, die Burgen von Rathen, die vormals den Herren von der Duba aus dem böhmischen Geschlecht der Birken gehörten. Doch der junge Kurfürst Ernst von Sachsen hat andere Pläne mit diesem Besitz an der Elbe.Mit Ränken und Intrigen, Kumpanei mit den neidischen Brüdern des neuen Herrn von Rathen, Verrat und bezahltem Mord bringt er den Oelsnitzer dazu, sich nicht nur als Raubritter einen sehr zweifelhaften Namen zu machen, sondern sogar die Birken auf der Veste Karlstein im Böhmischen zu überfallen.Als aus dem alten Kastell in Dresden eine Wohnburg, der Königstein ausgebaut und die Albrechtsburg in Meißen geplant wurde, verliert Hans von der Oelsnitz trotz der Unterstützung seines Getreuen Helgar von Weesenstein und sogar der Fürsprache des ungarischen Königs Matthias nicht nur für immer seinen Besitz, sondern auch seinen Sohn und Erben.Begleiten Sie Männer, die Frieden suchten, Rechtes taten und Unrecht ernteten.
Prolog
Im Felsen sehe ich etwas glitzern. Fast ein Wunder, denn nach den Winterunwettern der letzten Tage kämpft sich heute das erste Mal seit langer Zeit wieder einmal die Sonne hervor. Sicher wäre mir dieses Glitzern nicht aufgefallen, wenn ich nicht schon eine Weile nach meiner Tasche suchte, die ich letztens verlor, als ich dem Grafen hier oben auf der Burg Rathen die Nachricht von der Niederlage, von der völligen Aufreibung seiner Truppen überbringen musste.
Oh, was hatte er getobt. Und ich musste einfach meine Beine in die Hand nehmen und mich davon machen.
Zu schnell… war ich zu ihm geeilt.
Zumindest für meine Tasche. Oder eben deren Riemen.
Aber wie komme ich nun zu diesem glitzernden Ding da drüben?
Immerhin gibt es zwischen mir und der Stelle dort einen Abgrund.
Oh weh… und diese Felsen hier…
Alles Sand.
Manchmal habe ich das Gefühl, alles könnte gleich zerbröseln. Und doch scheinen diese Blöcke und Formationen hier schon Jahrhunderte, wenn nicht gar länger, zu existieren.
Nein, fest sind sie nicht, diese Steine. Stein… oh, ich kenne andere Steine. So fest, dass man sie mit dem besten Hammer nicht zerschlagen und mit dem größten und schärfsten Schwert nicht spalten kann.
Und hier…?
Sand… Sandstein. Fast ein Widerspruch in sich!
Wo mag Fräulein Mechthild nur sein?
Seit Tagen geht mir das nicht aus dem Sinn. Dieser Tölpel, dieser Ritter Beldenbert, der stellt ihr ja schon lange nach. Dabei sagt man doch über ihn, dass er mit Frauen gar nichts anfangen kann. Nun, auch das können Gerüchte sein. Wer weiß das schon.
Aber warum ist das Fräulein so Hals über Kopf abgereist?
Ich traue diesem Beldenbert nicht. Er hat plötzlich das Sagen hier oben auf der Burg. Und solange der Graf nun versucht, zu retten was zu retten ist, seine Macht irgendwie gegen die feindlichen Horden zu behaupten, solange wird Beldenbert hier Niemand das Wasser reichen dürfen… wenn Fräulein Mechthild nicht hier ist.
Warum nur ging sie weg? Und auch noch ohne Eskorte… ohne mich und die anderen ihr Ergebenen.
Nie hat sie das bisher getan…
Nein, da ist etwas faul. Wenn ich nur wüsste, was!
Ah, da ist eine kleine Stiege… nein, nichts wirklich einfach zu erklimmendes im Felsen… aber ein paar Auswaschungen. Und wenn ich Glück habe… viel Glück… dann bricht da kein Stein aus, wenn ich mich zu meiner Tasche hangele.
Familienerbstück… Mein Vater hat die wohl irgendwo auf einem seiner Kreuzzüge erbeutet… vielleicht auch nur gekauft, denn nicht alles, was er immer so vollmundig berichtete, stimmte wirklich. Dafür war die Tasche schön… und stabil. Stabil und groß genug, um die Dokumente, die ich für den Grafen aus Meißen holen sollte, allesamt unterzubringen. Und nun… nun hoffe ich doch, das die Tasche auch den vielen tauenden Schnee des Himmels aus- und abgehalten hat.
Der Graf war schon wütend genug, als ich ihm erst die Nachricht von seiner Niederlage brachte und dann auch noch gestehen musste, dass mir gerade so kurz vor der Burg die Tasche mit den Dokumenten abhanden kam. Da musste er sich nicht so aufspielen. Vor Tagen überließ er seiner Tochter Neurathen. Nur, dass er sicher in Beldenbert den wohl denkbar schlechtesten Aufpasser für Mechthild und die Burg finden konnte… jetzt, wo sie endlich über den Tod ihres Bruders hinweg war. Aber warum sie jetzt gerade verschwindet?
Ah, da ist die Tasche.
Halt…
Nein, das ist nicht meine alte Tasche mit den Silberstücken. Das ist… Das ist eine Haarspange. Da, ich sehe es… auch wenn ich noch nicht ganz heran komme. Da über mir. Und ich weiß auch, wem die gehört. Das ist die Lieblingsspange von Fräulein Mechthild.
Aber…
Nein, die hat sie doch immer getragen. Auch letztens noch.
Mühsam ziehe ich mich an den Steinen hoch. Dass die Sachen aber auch immer an die unzugänglichsten Stellen fallen müssen.
Nur… wenn das nicht meine Tasche ist… Egal. Erst einmal muss ich wissen, was Fräulein Mechthilds Haarspange hier macht!
Endlich bin ich da. Ich kann die Spange greifen. Sie hängt fest. Sehr fest. So kann sich doch gar nichts verfangen…
Da… Jetzt… Ein Ruck…
Ich habe sie! Zum Glück stehe ich hier etwas sicherer. Wo hatte sich die Spange denn nun verfangen? Ich kann mir das gar nicht richtig vorstellen! Hier ist eine Spalte mit viel Moos und Laub. Aber…
Ich schaue mit die Spange genauer an.
Ja, das ist Fräulein Mechthilds Spange. Kein Zweifel! Sogar ihre Haare… Ihre Haare… Da hängen Haare drin. Mit… mit Kopfhaut…
Kalt läuft es mir den Rücken herab.
„Wie könnt Ihr es wagen!“ hatte sie gewettert, als Beldenbert ihren toten Bruder verhöhnte. Das ist nun einige Monate her. Einige Monate. Und jeder auf der Burg zerfetzte sich das Maul anders über diesen Beldenbert und dass der Tote der einzige gewesen wäre, der Mechthild vor den ewigen Nachstellungen dieses Ritters zu beschützen vermocht hätte. Und dabei war er da schon tot.
Beldenbert hatte stets freie Bahn. Kam er doch erst nach dem Mord. Und auch der Graf würde sich einer Verbindung nicht entgegen stellen können, denn dieser Maulheld war fast der letzte der edlen Ritter, die er noch hatte. Gerade nachdem ich ihm die Nachricht von der Niederlage überbringen musste. Und nun, da ich auch noch für den vorübergehenden Verlust der Dokumente von Rathen verantwortlich war, da wurde nicht einmal mein Rat mehr ernst genommen.
Trotzdem hatte ich immer versucht, Fräulein Mechthild den Rücken zu stärken. Damals als ihr Vater schon selbst nach Meißen ritt, wo er hoffte, einen der Herrscher oder zumindest den Bischof zu treffen und sich mit denen wenigstens formal zu versöhnen. Denn hier im Grenzland zu Böhmen… da trieb sich derzeit soviel Gesindel herum… da brauchte der Graf keine Fehde mit Kurfürst und Kirche!
Ich hatte eine schreckliche Ahnung, als ich die Haarspange jetzt in den Händen hielt. Nein, sie konnte nicht einfach von Fräulein Mechthilds Haupt gefallen sein.
Lange stand ich auf dem schmalen Felsvorsprung und wagte kaum zu atmen. Angst hatte ich. Angst vor dem Abstürzen, aber vielmehr Angst vor dem, was ich nun tun musste, das meine Vermutung entweder bestätigen oder verwerfen konnte.
Langsam…
Ganz langsam streckte ich die Hand aus. Nach vorn. Dahin, wo eben noch die Spange klemmte. Hinein in die Spalte, ins Laub, zwischen modernde Stämme und Vogeldreck.
Über mit flog ein Falke auf. Ob er wohl hier seinen Horst hatte? Oder war er auf der Jagd? Falken fressen kein Aas. Aber… vielleicht fressen sie das Getier, welches sich über Aas her macht?
Mich schauderte.
Noch einmal sah ich die Bilder von damals, als ich auf die Burg kam und meinen Waffendienst beim Grafen antrat. Mechthild war da noch ein Kind, kaum dreizehn Jahre alt. Und doch überraschten mich ihr offener Blick und ihr Verstand.
Das zählte heute alles nicht.
Heute galt es.
Meine Hand traf auf einen Widerstand.
Kein Laub. Wahrlich nicht!
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Felssturz